■ Mittwochs-Blick (2): Die Freibank
MITTWOCHS-BLICK (2)
Die Freibank
Foto: Laden
Alle kennen solche Stellen in der Stadt: Man kann jahrelang daran vorbeigehen und immer wieder denken: „Was ist das bloß?“ Eine Hauswand, ein Schild, ein Laden. Der flüchtige Blick ist schnell vergessen — bis zum nächsten Mal. MITTWOCHS-BLICK (2)
Wer an der Straßenbahnstation „Bahnhof Walle“ wartet und sonst auch vielleicht gar kein Herumgucker ist, dessen Blick wird doch mit Sicherheit an einem kleinen Laden gegenüber hängenbleiben: „Freibank“ steht oben groß drüber und auf der Fensterscheibe, sachlich: Fleischerzeugnisse.
Und dahinter? Man braucht nur ein bißchen herumzufragen: wer überhaupt ab und zu in Walle ist, der kennt die „Freibank“- Fleischerei — aber drinnen war scheint's noch niemand. Dabei kosten hier alle Fleischwaren höchstens den halben Preis („Schweinekotlett, 1 Kilo, 4 Mark 90“, „Hausgemachte Leberwurst, 100 g, 69 Pfennig“), und alles ist doppelt lebensmittelgeprüft, weil das Fleisch von notgeschlachteten Tieren stammt. Aber ein bißchen verdächtig eben, stimmt's? Gehen wir doch mal rein.
Drinnen im Laden ist es schlicht und schmucklos und ohne alle Extras. Die Auslage allerdings sieht verlockend aus (gar nicht nur wie „Fleischerzeugnisse“) und hält dem skeptischen Blick ohne weiteres stand. „Das sieht kein Fachmann, daß das Freibank ist“, sagt Schlachtermeister Janssen, und die tüchtige Frau Schmidt steht hinterm Tresen und sägt grad Kasslerstücke für eine Kundin zurecht.
Herr Janssen ist ein alter Hase, 45 Jahre vom Fach, mit einem eigenen Betrieb, ehe er, schon Rentner und „aus Spaß an der Freud“, in die Waller Freibank- Fleischerei eingestiegen ist. Inhaber ist Herr Buschmann aus Bookholzberg, der besitzt vier Filialen in Bremen, aber den Laden neu auf Vordermann gebracht hat doch Herr Janssen: „Bei mir ist der Kunde immer König. Ich bin freundlich und berate allerhöflichst.“ Das muß betont werden, „Freibank“-Fleischereien müssen sich ja nicht nur gegen den Ruf der Unsauberkeit im weitesten Sinne verteidigen, „wir sind auch keine Arme-Leute-Fleischerei! Bei uns werden die Kunden nicht wie Menschen 3. Grades behandelt, deshalb läuft der Laden großartig. Am Wochenende stehen sie anderthalb Stunden an!“ Bei Herrn Janssen, den manche Kunden auch „Herr Freibank“ nennen, ganz im Ernst, weil sie es nicht anders wissen wollen. Cornelia Kurth
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