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Gläserne Rummelbude

■ Alexanderplatz: Ein provisorisches "Gewächshaus" als Ausstellungsbau / Richtfest bereits im Herbst

Berlin. Auch mit dem ersten geplanten Neubau auf dem Alexanderplatz wird das zugige Gelände bleiben, was es bereits ist: ein Ort für Gaukler, Falschspieler und Marktschreier. Denn der gestern vorgestellte Wettbewerbs-Entwurf für ein „Gewächshaus als Forum für Städtebau und Architektur“ der beiden Münchener Baumeister Christine und Christian Peter zeigt einen 120 Meter langen und zum Teil sechzig Meter breiten Glasbau, der mehr die fragilen Gerüste für Rummelbuden und Achterbahnen assoziiert als die ingenieurmäßigen Eisenkonstruktionen der Palmenhäuser aus dem 19. Jahrhundert.

Der viergeschossige Riegel mit einer angedockten Schräge unter Glas soll Container für Ausstellungshallen, Studios, Gastronomien und Büros nebst Treppenanlagen aufnehmen. Die Stahlkonstruktion für rund zehn Millionen DM dient darüber hinaus als überdimensionale Medienwand für Filmprojektionen, Reklametafeln und elektronische Lichtinstallationen.

„Mit dem Gewächshaus Berlin“, freut sich einer der Auslober, Financiers und Betreiber des Projekts, der „Gewächshaus Berlin GmbH“-Geschäftsführer Knut Herbst, „wird ein Ort geschaffen, an dem der Prozeß der modernen innovativen Stadtplanung der Öffentlichkeit vermittelt werden kann.“ Unter der gläsernen Haut könne jeder sehen, was in der Stadt in den nächsten Jahren wachsen werde.

Zweifellos ist dem schnellen Ex- Treuhand-Manager Herbst mit dem „Gewächshaus“ etwas gelungen, wovon andere Bauherren in Berlin nur träumen. Innerhalb weniger Monate lobte er gemeinsam mit dem sonst so wettbewerbskritischen „Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin“ (AIV) einen Wettbewerb aus, für den der AIV aus dem Fundus seiner Schinkel-Preisträger gleich die Konkurrenz stellte. Von 31 Gewächshaus- Arbeiten wurden schließlich fünf prämiert, davon vier von Berliner Teams. In Absprache mit den zuständigen Senats- und Bezirksverwaltungen wird im Frühjahr Baubeginn sein. Im Herbst 93 will Herbst Richtfest feiern. Minimale Einwände gegen das Projekt äußerte Dorothee Dubrau, Baustadträtin aus Mitte, der das Gebäude „noch zu hoch“ erscheint. Ansonsten aber befürwortet sie den „Treffpunkt“.

Damit sich der ganze Zirkus lohnt, wird auf den 3.800 Quadratmetern Gesamtfläche des Gebäudes nicht nur das „Wachstum Berlins“ in Form von Architekturmodellen zu sehen sein. Zugleich sollen „gläserne Fernsehshows“, „City-Talks“ und andere „multimediale Stadt-Kultur-Präsentationen“ zu bewundern sein. Die Ideen-Achterbahn am Alex muß nach Ansicht Herbsts „Anziehungspunkt für die Besucher aus München, Hamburg und Düsseldorf sein“, die sich über die Planungen in der Stadt und besonders rund um den Alex informieren wollen. Nach der Fertigstellung des Platzes könne der Glaskasten ja wieder abgerissen werden, sagte Herbst.

Warum das transparente Provisorium auch bei den zuständigen Bezirks- und Senatsverwaltungen auf soviel Genehmigungseuphorie stößt (zumal der Bau die eben gepflanzten Blumenbeete aus dem Hause Hassemer wieder zerstört), kann sich nicht allein mit der Aussicht auf sein späteres Verschwinden erklären.

Vielmehr scheint die gegenwärtige Hilflosigkeit bei der Planung jedes privat finanzierte und scheinbar spektakuläre Konzept, das des Weges kommt, mit offenen Armen aufzunehmen. Daß dabei mit Sorglosigkeit beständige Architektur und die notwendige Diskussion aus den Rathäusern und Stadtforen in Rummelbuden gedrängt wird, ist grobe Fahrlässigkeit. Eine städtische Architekturgalerie erfüllte den Zweck ebenso und besser. Und schlimmer noch erweist sich die Vorstellung, daß das Alex- Beispiel am Brandenburger Tor Schule machen könnte. Vielleicht genügt dann ein Bierzelt. Rolf Lautenschläger

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