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Wahlboykott in Haiti

■ Leere Urnen und Generalstreik bei Teilwahlen zum Parlament

Port-au-Prince/Washington (AFP/IPS) – An den von der Militärjunta veranstalteten „Wahlen“ in Haiti zur Neubesetzung des Parlaments haben sich am Montag nur wenige Menschen beteiligt. Die Opposition hatte zum Boykott der von ihr als unrechtmäßig bezeichneten Wahlen aufgerufen, bei denen zehn von 27 Mitgliedern des Senats und vier von 83 Mitglieder des Abgeordnetenhauses neu gewählt werden sollten. Nach Informationen einheimischer Journalisten blieben die Wahllokale in den meisten Orten leer. Die Bevölkerung scheint dazu einem Aufruf nach Generalstreik gefolgt zu sein, denn auch Geschäfte und Schulen waren vielerorts geschlossen. In der nördlichen Stadt Cape Haitien stand der gesamte öffentliche Verkehr still, und Soldaten patroullierten durch die menschenleeren Straßen.

Ergebnisse der Wahlen wurden zunächst nicht bekannt. Die zentrale Wahlkommission annulierte wegen „gravierender Unregelmäßigkeiten“ die Wahlen in der Westprovinz mit der Hauptstadt Port-au-Prince. Dort hatten die Wahllokale mit einigen Stunden Verspätung geöffnet, und nur wenige Bürger verirrten sich dorthin. In kaum einem Raum lagen die Wahllisten aus. Auch aus anderen Gebieten wurden Unregelmäßigkeiten gemeldet.

Beobachter rechneten damit, daß die Kandidaten der vom Militär unterstützten Regierung von Ministerpräsident Marc Bazin die Mehrheit der zu besetzenden Sitze gewinnen. Bazin, der Mitte 1992 mit Hilfe des Militärs und Zustimmung des Parlaments zum Premierminister ernannt worden war, hatte die Bürger aufgefordert, ihrer Arbeit nachzugehen. Parteien, die sich für eine Rückkehr des 1991 vom Militär gestürzten demokratisch gewählten Präsidenten Jean- Bertrand Aristide einsetzen, hatten Bazin beschuldigt, bei der Kandidatenaufstellung manipuliert zu haben. Er habe seine Anhänger in die unabhängige Wahlkommission eingeschleust.

Das US-Außenministerium hatte sich in der vergangenen Woche gegen den Urnengang ausgesprochen, weil die Bedingungen für „freie und faire Wahlen“ nicht gegeben seien. Eine ähnliche Stellungnahme gaben die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sowie UNO-Generalsekretär Butros Ghali ab. Unterdessen weigerte sich der künftige US-Präsident Bill Clinton, eine haitianische Delegation unter dem von den Putschisten eingesetzten ehemaligen Präsidenten Joseph Nerette in Washington zu empfangen. Nerette, der im Juni 1992 als haitianischer Staatspräsident zurücktrat, sagte in einem Interview, er sei von Clintons Regierungsmannschaft zu den Feierlichkeiten aus Anlaß des Amtswechsels im Weißen Haus eingeladen worden.

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