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Kampf um das Buch

■ Protesttag der Bibliothekare: Sämtliche Einrichtungen bleiben wegen der möglichen Schließung von 100 Büchereien zu

Berlin. Sämtliche öffentliche Bibliotheken sind heute geschlossen. Statt angemeldetem Betriebsausflug ist Protest angesagt. Um 15 Uhr treffen sich die MitarbeiterInnen am U-Bahnhof Innsbrucker Platz. Um 15.30 Uhr findet eine Kundgebung in der Hauptstraße 40 vor der Stadtbücherei Schöneberg statt. Denn Ungemach droht: Nach einem Prüfauftrag des Senats sollen von den derzeit vorhandenen 1.175 Stellen in den öffentlichen Bibliotheken 300 Stellen bis 1997 eingespart werden. Die Folge wäre, daß von den 272 Bibliothken etwa hundert geschlossen werden müßten. Treffen würde es überproportional die Einrichtungen im Ostteil (siehe Kasten).

Gegen diesen „kulturellen Kahlschlag“ protestierten schon Anfang Dezember sämtliche Volksbildungsstadträte der Stadt. In einem offenen Brief bilanzierten sie, daß durch die vom Innensenat geplanten Stellenstreichungen die gesamte kommunale Kulturarbeit „substantiell“ gefährdet wäre. In einigen Stadtteilen würde es überhaupt keine Zweigstellen mehr geben, bei anderen Einrichtungen würden sich die Öffnungszeiten insgesamt um über 2.000 Stunden verkürzen.

Jetzt hat sich dieser Protest ausgeweitet. Die Berliner Sektion des Deutschen Bibliotheksverbands hat ausgerechnet, daß es hier, nicht wie der Innensenat behauptet, einen im Vergleich zu München viel zu üppigen Personaletat gebe, sondern im Gegenteil, daß schon jetzt ein „Ausstattungsdefizit“ zu beklagen sei. In München würden pro Einwohner 2,48 Bücher in den Bibliotheken liegen, in Berlin aber nur 2,33. Und in München gebe es für 2.341 Einwohner einen Bibliothekar, in Berlin aber nur einen für 2.658. Dieses Verhältnis würde sich, wenn die Pläne des Senats Wirklichkeit werden würden, weiter verschlechtern. Darüber hinaus würde die Schließung von hundert Einrichtungen bedeuten, daß ein Drittel des gesamten Bestandes an Büchern, Zeitschriften, Tonträgern in einem Gesamtwert von 100 Millionen Mark „vernichtet“ werden müßte, da es für die Bücher keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Protestiert haben inzwischen auch die direkt Betroffenen, nämlich über 120.000 Benutzer. Bei der Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Hanna-Renate Laurien, liefen so viele Beschwerdepostkarten ein, daß sie die Annahme inzwischen verweigert.

Auch der Kultursenat will die Zerschlagung des dezentralen Bibliothekssystems durch pauschale Stellenstreichung nicht hinnehmen. Wie Juliane Funke, Leiterin des Referats Bibliothekswesen, der taz sagte, werde ihr Haus Ende Januar eine Expertise beim Innensenator abliefern. Heckelmanns Sparabsichten würden bei dem dezentralen Büchereisystem eine gewaltige Einschränkung des Dienstleistungsangebotes bedeuten. Wichtiger als die Rotstiftpolitik wäre der Aufbau einer modernen EDV und eines Verbundsystems. Denn in Berlin schreibt jede Bibliothek ihre Karteikarten noch selbst. Erst nach einer grundsätzlichen Diskussion über die Zukunft der Bibliotheken dürfte man deshalb Sparpläne diskutieren. aku

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