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Weißer Panther

■ White Men Can't Jump – Weiße Jungs bringen's nicht

Zum Mythos von Black is beautiful gehörte auch, daß Schwarze körperlich geschmeidiger, tierhafter, sexier seien – Black Panther eben, gern auch von weißen Antirassisten gestriegelt. In Ron Sheltons neuem Film „White Men Can't Jump“ wird die schwarze Variante dieses Credos zum spielbestimmenden Motiv: der weiße Billy Hoyle taucht auf einem „schwarzen“ Spielfeld in Venice Beach, Los Angeles auf. Mit Batik- Schirmmütze und viel zu langen Schlabbershorts fällt Billy sofort als typisch weiß auf und durch. Da aber gerade ein Mann zum Basketballspiel fehlt, darf er mitspielen. Während sich die Schwarzen ständig mit Sprüchen über ihre Mütter provozieren, kann Billy ungedeckt über den Platz fegen und einen nach dem anderen Treffer landen. Plötzlich steht es 9:8 für Billy, er kassiert 62 Dollar. Der Verlierer Sidney besucht Billy und sein Kätzchen Gloria abends zu Hause und schlägt, von Mann zu Mann, einen deal vor: Wir dribbeln ab sofort gemeinsam über die Plätze und zocken alle ab. Gleich am nächsten Morgen beginnt die Ball-Arbeit. Der Trick ist simpel und gleichzeitig ein geschicktes Spiel mit Vorurteilen: Sidney spielt ein paar Runden mit seinen schwarzen Brothers, und wenn es dann um Geld gehen soll, dürfen die anderen ihm irgendeinen Mitspieler aussuchen. Just in diesem Moment taucht Billy als weit und breit einziger Weißer auf und wird als potentielle Null sofort überredet, ein Team mit Sidney zu bilden. Der Rest funktioniert wie bei jedem Pokerfilm: die vorgeblichen Krücken erweisen sich als Champions, gewinnen und fallen sich außer Reichweite der Verlierer in die Arme. Vor allem Billy ist froh über die ersten 500 Dollar Wetteinnahme – ihm sind Geldverleiherauf der Spur. Die pfiffige Gloria bewahrt die Knete in ihrer (aufgehorcht!) Schatulle, und wenn Billy Geld mitbringt, stößt sie mit mickeymausiger Stimme ein let's screw aus. Untertitel: „Laß uns nageln.“ Die Nagelei findet ihr vorläufiges Ende durch den tragischen Verlauf eines Spiels, bei dem Billy und Sidney gleich 1.700 Dollar setzen und verlieren. Die Männerfreundschaft zwischen Sidney und Billy, zwischen Ebony and Ivory, ist unzerstörbar, obwohl Gloria herausfindet, daß in Wirklichkeit Sidney die 1.700 Dollar kassiert hat. Spätestens hier wird „White Men Can't Jump“ zum modernen Märchen. Daß die Realität gerade in Städten wie Los Angeles anders aussieht, dürfte Regisseur Ron Shelton nicht erst nach den L.A.-Krawallen Jahres gemerkt haben. Eigentlich sind sie alle gute Jungs sind, auch wenn sie ab und an Flüche über Mütter ausstoßen.

Gewaltausübung durch Cops und Kids, vor allem als Gewalt unter Schwarzen, die sich trotz anderslautender Aufforderungen durch diverse Rapper gegenseitig abknallen, kommt, wenn überhaupt, nur als Aufhänger für Jokes vor. „Bieg lieber rechts ab, hier wird man erschossen“, sagt der schwarze Sidney zu Billy kurz vor seinem Heimatviertel. Lustig wird's auch, als ein abgezockter Verlierer, der vorher den Laden um die Ecke überfallen hat, um sich den Spieleinsatz zu leihen, sämtliche Spieler und Zuschauer panisch über den Zaun springen läßt, nur weil er ankündigt: „Ich baller' euch alle über'n Haufen.“

In kleinen Details spielt der Film aber sehr wirksam mit Schwarz-Weiß-Klischees. Gleich zu Beginn trägt der weiße Billy ein T-Shirt mit einem Aufdruck, der normalerweise schwarze HipHop- Platten von solch toughen Jungs wie Ice T. & Cube ziert: Parental Advisory: Explicit Lyrics. Eine Warnung für Eltern, die ihre Kinder vor derben Texten schützen möchten – inzwischen zum Qualitätssticker geworden, eine Art schwarzer Umweltengel. Ein anderer Gag, der gelungen mit Rassismen spielt: „Schwarz hat verloren“, sagt der Schiedsrichter, worauf ihn sofort einer als Rassist beschimpft, obwohl der Schiedsrichter offensichtlich die schwarzen Mannschaftstrikots meinte.

Ron Shelton hat in seinem neuen Film vielleicht ein wenig zu sehr seine Zuneigung zur Inszenierung von Ballspielen ausgelebt. White Men... ist nach einem Film über Football und einem über Baseball bereits sein dritter Ballspiel-Film. Bei einer Länge von 114 Minuten mindestens 80 davon auf dem Spielfeld zu verbringen fällt auch bei rasanter Kameraführung und halsbrecherischen Ballkapriolen der Schauspieler, die angeblich wochenlang für den Film professionellen Basketballunterricht nahmen, dem untrainierten Zuschauer schwer. Um den Film zum Kultfilm bei Kids in der Bundesrepublik zu machen, hätte man das Wort Basketball in den Untertiteln durch Streetball ersetzen sollen. Jugendliche Zuschauer bei der Preview im Berliner Kant-Kino, die jeden gelungenen Wurf mit lautem Gejohle und Beifall bedachten, hatten sogar irgendwo das völlig unhippe Wort „Korbball“ ausgemacht.

Immerhin ein Film, der alltäglichen Rassismus ironisch diskreditiert – wahrscheinlich wirksamer als eine gutgemeinte Lichterkette. Andreas Becker

„White Men Can't Jump“. Buch und Regie: Ron Shelton. Kamera: Russell Boyd. Mit: Wesley Snipes, Woody Harrison, Rosie Perez. USA 1992, 114 Min.

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