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Der feige Mord im Genfer Karpfenteich

■ Kabalen um die Wiederwahl des japanischen Generalsekretärs der WHO

Eines Morgens im letzten November lag der weiße Karpfen tot, mit ausgestochenen Augen am Rand des Teiches in dem japanischen Garten außerhalb des Genfer WHO-Gebäudes. Den Garten hatte die Regierung in Tokio der Weltgesundheitsorganisation vor 25 Jahren geschenkt, anläßlich ihres Beitritts zu dieser zweitgrößten UNO-Sonderinstitution. Der weiße Karpfen – in Japan Symbol für Glück, Gesundheit und Lebensfreude – folgte im Mai 1988. Aus Freude darüber, daß mit dem damals 60jährigen Arzt Hiroshi Nakajima zum erstenmal ein Japaner zum Generaldirektor der WHO und damit überhaupt zum Chef einer UNO-Sonderorganisation gewählt wurde.

Der Meuchelmord an dem unschuldigen Fisch wurde denn auch von den meisten der 4.600 Beschäftigten in der Genfer WHO-Zentrale und den sechs Außenbüros als unmißverständliche Aufforderung an Nakajima verstanden, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Doch der Japaner ließ sich von dieser Warnung ebensowenig beeindrucken wie von der Inschrift „Death to Nakajima“, mit der Unbekannte die schöne Holzverkleidung in der Eingangshalle des WHO-Gebäudes verunzierten. Er bestand auf seiner Kandidatur. Negativschlagzeilen produzierte Doktor Nakajima bereits anläßlich seiner ersten Wahl im Mai 1988. Nach bis heute nicht hundertprozentig bewiesenen, aber auch nicht widerlegten Gerüchten wurden damals die Stimmen vor allem einiger afrikanischer Staaten mit Autos und Lastwagen der Marken Toyota und Nissan gekauft. Hinter der Lobby, die auch diesmal wieder Nakajimas Wiederwahl betreibt, steht der milliardenschwere Großindustrielle Sasagawa, der zugleich als der Pate der japanischen Mafia gilt. Bereits in seinen ersten Amtswochen Anfang 1989 zerschlug der neue WHO-Generaldirektor das für zahlreiche Dritt- Welt-Länder überaus wichtige WHO-Programm für Basis-Gesundheitsdienste und entließ bzw. versetzte die dafür zuständigen Mitarbeiter. Dieses Programm, das unter anderem die Überflutung der Entwicklungsländer mit teuren Medikamenten zu bremsem suchte, war den großen Pharmakonzernen Japans und der westlichen Industriestaaten schon lange ein Dorn im Auge. Anfang 1991 warf der Direktor des WHO- Programms zur globalen Aids-Bekämpfung, der US-Amerikaner Jonathan Mann, entnervt das Handtuch. Nakajima hatte den wegen seiner Anti-Aids-Arbeit weltweit hoch angesehenen Mann zunehmend behindert und wie einen dummen Jungen behandelt. Prominentestes und – zumindest vorläufig – letztes Opfer war im Herbst letzten Jahres Nakajimas Stellvertreter, der Algerier Mohammed Abdelmoumene. Sein Vergehen: Er hatte gewagt, seine Kandidatur für den Generaldirektors-Posten bekanntzugeben.

Seitdem wendete sich das Blatt. Die USA, Kanada und die EG-Europäer, die Nakajima 1988 geschlossen unterstützt hatten, machten in den letzten Wochen öffentlich deutlich, sie würden bei der gestrigen Sitzung des Exekutivkomitees gegen eine zweite Amtszeit des Japaners und für die Wahl Abdelmoumenes votieren. Doch Nakajima und die hinter ihm stehende Lobby – darunter die Regierung in Tokio (mit 51 Mio US- Dollar im letzten Jahr zweitgrößter WHO-Finanzier nach den USA) gaben nicht auf. Es gibt zahlreiche Berichte über Erpressungs- und Bestechungsversuche gegen im WHO-Exekutivkomitee vertretene Staaten. Nach einem internen Bericht des US-State-Department drohte Tokio den Malediven mit dem Stopp von Fischimporten, Jamaika mit dem Ende von Kaffeeinfuhren nach Japan. Algerien müßte auf einen grundsätzlich bereits zugesagten Kredit der japanischen Import- und Exportbank in Höhe von 250 Millionen US- Dollar verzichten.

Wenige Tage vor der gestrigen Entscheidung gab sich Nakajima denn auch zuversichtlich über seine Wiederwahl. Dabei leistete sich der Japaner einen schweren Fauxpas. Als ihn die Korrespondentin der kuwaitischen Nachrichtenagentur fragte: „Are your confident about your election?“, antwortete der 64jährige Nakajima: „I am very confident about my erection.“ Andreas Zumach

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