: Ostdeutsches Zementwerk wird zu Giftofen
■ Thüringen: Westfirma Dyckerhoff will Sondermüll verbrennen
Berlin (taz) – Landrat Werner Henning liest täglich Zeitung. So ist ihm nicht entgangen, daß in Deuna, knapp 30 Kilometer von seinem Wohnort Heiligenstadt entfernt, Sondermüll verbrannt werden soll. Henning wundert sich nur: „Informiert hat mich keine Behörde.“
Heinrich Große, Hennings Amtskollege vom Nachbarkreis Worbis wußte früher Bescheid. Aber er möchte zu den Plänen nichts sagen: „Erst müssen die Ergebnisse der Prüfungen eintreffen, dann gibt der Kreis seinen Standpunkt beim Landesverwaltungsamt ab.“ Das werde „etwa Mitte Januar“ geschehen. Wenige Tage später, am 28. Januar, findet die öffentliche Erörterung für den Müllofen statt.
Das Deuna-Werk liegt in einem engen Talkessel. AnwohnerInnen der kleinen Gemeinde beschweren sich seit langem Zeit über die Belästigungen durch die Abluft. Es könnte noch schlimmer werden. Die örtliche „Zement GmbH“, ein Unternehmen der westdeutschen Dyckerhoff-Gruppe will in ihren Öfen im 24-Stunden-Betrieb 55.000 Tonnen Altöle pro Jahr verbrennen. Die Liste umfaßt Trafo- Hydraulik und Wärmeträgeröle mit hohem Anteil von polychlorierten Biphenylen (PCB), schwermetallhaltige Lösungsmittelabfälle und Altreifen. „Vorrangig aus den neuen Bundesländern“, steht in den Antragsunterlagen.
Den Abfall liefert die Münchener Firma „Baufeld“. Die hat eine Raffenerie im sächsischen Klaffenbach nahe Chemnitz gekauft. Dort sollen die Öle vorbereitet werden. Deuna-Geschäftsführer Günther Thielsch versteht die Aufregung nicht: „Unsere Öfen sind genehmigt, die Stoffe als Wirtschaftsgut deklariert.“ Außerdem habe das Zementwerk in Karsdorf (Sachsen-Anhalt) schon eine Genehmigung für die Probeverbrennung von Altölen. „Wir werden doch keine Sammelstelle und kein Lager für den Müll.“
Aber in seinem Antrag steht auch das Wort „Bevorratung“. Die EinwohnerInnen haben Unterschriftensammlungen bei den Behörden vorgelegt. „Eine erhebliche Zahl von Einwendungen“, bestätigt Thüringens Umweltminister Klaus Sieckmann (CDU). Eigentlich war der 6. Januar letzter Tag der öffentlichen Auslegung der Pläne. Wahrscheinlich muß das Verfahren wegen eines Formfehlers jetzt wiederholt werden.
Die UmweltschützerInnen befürchten den Einstieg in die Sondermüllverbrennung für Thüringen: Dyckerhoff wolle im Osten durchziehen, was im Westen gescheitert sei, so das Argument. Bereits Ende der 80er Jahre hatten mehrere westdeutschen Firmen, darunter Dyckerhoff, versucht, Sondermüll in Zementöfen zu verheizen. Doch die Vorhaben in Westfalen scheiterten.
Bei der Verbrennung von Sondermüll entstehen Dioxine und Furane. Die Grünen und Bündnis 90 vermissen spezielle Filter gegen diese besonders krebserregenden Stoffe. Doch das Umweltbundesamt, beschwichtigt Minister Sieckmann, halte deren Verbrennung in heißen Drehöfen, wie die Zement GmbH sie bauen wolle, für die „zur Zeit schadstoffärmste Entsorgungsmöglichkeit“.
Bernd Ulrich Hildebrandt vom Berliner Umweltbundesamt ist vorsichtiger. Bei zwei westdeutschen Versuchsprojekten sei zwar „keine signifikante Änderung der Grundemission“ gemessen worden, „das heißt aber nicht, daß es woanders auch so sein muß“. Gutachten über Schadstoffemissionen oder die Lagerung von Giften auf dem Firmengelände fehlen in den Deuna-Anträgen.
Auch die Transporte des Giftmülls seien problematisch, meint sogar Landrat Große – zwei Drittel seines Kreises sind als Trinkwasserschutzgebiet ausgewiesen. Oliver Zelt
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