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„Politiker – die sind doch das Letzte“

Schlapper Kommunalwahlkampf in Hessen/ Das Desinteresse der Bevölkerung hat zugenommen/ Grüne befürchten zweistelliges Ergebnis für Rechtsradikale  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Auf den Wahlplakaten der Frankfurter SPD sitzt Oberbürgermeister Andreas von Schoeler lässig in einem Polizeiauto und telefoniert. Die Headline: „Es gibt noch Politiker, die etwas können.“ Einen Telefonhörer halten kann er – immerhin.

Am 7.März sollen die Hessen die Räte für Städte und Gemeinden wählen. Doch kaum einEn BürgerIn scheint das zu interessieren. Die Frankfurter Christdemokraten, die am vergangenen Wochenende einen Infostand auf der Zeil aufgebaut hatten, klagten über anhaltend schwachen Zulauf. Vielfach sei den WählerInnen der Wahltermin „völlig unbekannt“ gewesen, staunte CDU-Fraktionschef Horst Hemzal. In der Tat: von Wahlfieber ist in Frankfurt und in ganz Hessen in diesen Tagen nichts zu spüren. Der Wa(h)lfisch der Grünen, der die Plakate des Frankfurter Kreisverbandes ziert, zieht denn auch freundlich lächelnd seine Kreise in einem Meer von Freude und Freundlichkeit vor unschuldig weißem Hintergrund. Im letzten Hessen-Wahlkampf hob dagegen ein grüner Löwe noch drohend seine Pranke gegen die Wallmänner.

Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Frankfurter Römer, Lutz Sikorski, macht die CDU für den „laschen Wahlkampf“ verantwortlich: „Wo kein Feuer mehr glimmt, kann auch kein Funke überspringen.“ Die CDU in Frankfurt fülle die Oppositionsrolle – nach dem Machtverlust 1989 nach zwölfjähriger Alleinherrschaft – noch immer nicht aus. Die „unter Schock“ stehende Union sei im Parlament nie in die Gänge gekommen. Und deshalb, so Sikorski, mangele es den Regierungsparteien an einem ernstzunehmenden Widerpart in einem ohnehin von bundespolitischer Thematik überlappten Wahlkampf.

Doch das, so Sikorski weiter, sei nur die eine Seite der Medaille. Die andere werde von einer in weiten Teilen der Bevölkerung grassierenden „Politikerverdrossenheit“ geprägt, für die vor allem die Bonner Skandal- und Skandälchenmalaise die Verantwortung trage.

An den Wahlkampfständen in den Stadtvierteln seien Stimmungslagen zu registrieren, die „Anlaß zu ernster Besorgnis geben“. Tenor: „Politiker – die sind doch das Letzte.“ Vielfach würden die Menschen bei der Beurteilung der politischen Großwetterlage auf differenziertere Betrachtungen gänzlich verzichten. „Und solche Geschichten wie jetzt mit Lafontaine sind Wasser auf die Mühlen all derer, für die (fast) alle Politiker in Bonn, in den Landeshauptstädten und auch in den Rathäusern Abkassierer und Vorteilsnehmer und -geber sind“ ( Sikorski).

Nicht nur Sikorski befürchtet, daß die zu den Kommunalwahlen antretenden Rechtsparteien von dieser „Stimmungslage“ profitieren werden. Auch bei den Sozialdemokraten werden hinter verschlossenen Türen die vom IPOS- Institut prognostizierten 6,1 Prozent für die „Republikaner“ in Frankfurt als „unrealistisch niedrig“ eingeschätzt. Offiziell schweigen die Sozialdemokraten die Rechten allerdings tot. Neben den Reps treten die bereits im Römer sitzenden „Nationaldemokraten“ (NPD) und eine von der NPD abgespaltene FWG unter Führung der „braunen Uschi“ Gerhold in Frankfurt zu den Kommunalwahlen an. Und hessenweit haben die Reps vor, in allen Landkreisen die Kreistage zu entern.

Sikorski jedenfalls befürchtet ein „zweistelliges Ergebnis“ für die Reps in Frankfurt. Und der Grund dafür sei nicht, daß es in der Mainmetropole so viele ausländerfeindlich eingestellte WählerInnen oder gar FaschistInnen gebe: „In breitesten Bevölkerungsschichten herrscht ein Ohnmachtsgefühl gegenüber den herrschenden Politikern vor.

Das ist die gefährliche Haltung: Die da oben – wir hier unten“, meint der Grüne inzwischen.

Und weil tatsächlich immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt würden und die Kommunen mangels finanzieller Spielräume kaum gegensteuern könnten, habe das „dumpfe Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein“ einen durchaus realen Hintergrund.

Sikorski: „Bonn läßt die Kommunen ausbluten. Deshalb können die Städte und Gemeinden mit eigenen Mitteln weder die Wohnungsnot beseitigen noch andere brennende Probleme in den Griff bekommen. Und die steigende Armut belastet die Kommunen noch zusätzlich.“

Während die Grünen (noch) fest mit ihrem „mittelständischen“ WählerInnenpotental kalkulieren können, gehen Sozial- und Christdemokraten schweren Zeiten entgegen. Doch die „Krise der politischen Kaste“ (Sikorski) hat in den Wahlkampfbüros der beiden großen Parteien offenbar noch nicht die Alarmglocken schrillen lassen: Wie gewohnt karren CDU und SPD ihre Prominenz aus Bonn nach Frankfurt und durch ganz Hessen – nur Oskar Lafontaine fehlt auf der Starliste der Sozialdemokraten.

Und weil die CDU in Frankfurt offenbar die großen Themen scheut, weil die – aufgrund der Bonner Verantwortlichkeiten – zum Bumerang werden könnten, wird kleinkariert nachgekartelt: OB von Schoeler habe einen Polizeiwagen samt Funktelefon zu Wahlkampfzwecken mißbraucht, verkündete die Union in Reaktion auf die Wahlplakate der SPD.

Auf diese Auseinandersetzung haben die WählerInnen in Frankfurt mit Sicherheit schon lange gewartet.

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