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My Fairy Lady

Audrey Hepburn, der klügste Kobold, der je ein Chanel-Kostüm trug, ist im Alter von 63 Jahren gestorben  ■ Von Mariam Niroumand

Eigentlich war Audrey Hepburn ein Weg als „mondäne Kokotte“ vorgezeichnet. Ihre Mutter, eine belgische Baronin von Heemstrat, entstammte einer niederländischen Aristokraten- und Kolonialistenfamilie und war auf Schloß Doorn aufgewachsen, wo unser Kaiser Wilhelm seine letzten Jahre mit Holzhacken zubrachte. Ihr Vater hingegen, der anglo-irische Geschäftsmann J.A. Hepburn-Ruston, den man sich offenbar etwas pöbelnd-rotnasig vorzustellen hat, war Anhänger von Oswald Mosleys faschistischen Schwarzhemden und schickte seine Tochter winters auf ein englisches Internat. Nach der wenig verblüffenden Scheidung dieser Ehe und dem Ausbruch des Krieges nahm die Baronin ihre Tochter mit zur Van- Heemstra-Familie ins vermeintlich sichere Holland. Während der Gastvorstellung eines Londoner Balletts beschloß Audrey, selbst Balletteuse zu werden; am nächsten Tag brach der Krieg aus. „Was immer man Ihnen über die deutsche Besatzung und ihre Greueltaten erzählt“, sagte die Hepburn Jahre später, „Sie tun gut daran, es zu glauben.“ Ihr Onkel wurde als Geisel wegen eines Sabotageversuchs erschossen, ein Cousin von den Deutschen hingerichtet. Jahrelang lebte die Familie mit anderen Flüchtlingen im Keller des Hauses, das direkt in der Schußlinie stand. Audrey Hepburn selbst schmuggelte damals als 14jährige Kassiber für die holländische Untergrundbewegung.

Courage wird ihr wohl niemand absprechen wollen. Hinter heruntergelassenen Jalousien gab sie Solotanzvorstellungen, um die Widerstandsbewegung auch mit Geld unterstützen zu können. Nach Kriegsende ging sie nach London, wo sie, vor die Wahl gestellt, entweder eine klassische Ballettausbildung zu machen oder eine schnelle Mark im leichteren Revue-Business, ihren ersten Auftritt in der Schmonzette „High Button Shoes“ hatte.

Die „Vierte von rechts“, die Gazelle, die Elfe, fiel schnell einigen englischen Modefotografen auf. Bald hing ein Close-Up von ihr in allen Drogerien des Landes; sie lächelte für „Lacto-Calamine“- Hautcreme. Während einer kapriziösen Sprechrolle in dem für sie schon damals typischen Titel „Sauce Picanterie“ wurde ein italienischer Filmproduzent auf sie aufmerksam; Abend für Abend saß er schmachtend, sah die Gazelle, die Elfe, das zierliche Wesen, und bot ihr eine Rolle an, die sie – Reschpekt, Reschpekt – wg. Affäre ausschlug.

Richtig entdeckt wurde sie von niemand geringerem als der 80jährigen Colette, die sie bei den Dreharbeiten zu „Nous irons à Monte Carlo“ sah, und sagte „Voilà, da haben wir die Gigi.“ Mit „Gigi“, einem Trauerroman über den Sittenzerfall, schlug ihre Stunde. Das Stück wurde ein Broadway-Hit, und die Hepburn hatte fortan das Fach „Continental charme“ gebucht.

Danach ging alles sehr schnell. Sie reüssierte mit „Ein Herz und eine Krone“, einer ziemlich frechen Angelegenheit, eine kokette Kolportage des damaligen Royalskandals um die zu mondäne Prinzessin Margaret Rose, die ihr prompt einen Oskar eintrug. Sie war, wie es bei den Agenturen hieß, höchst versatil: Sie konnte Dramatisches – ein junges Mädchen, das ins Kloster geht, um nach Afrika zu können, sich dort unterfordert fühlt, sich verliebt, und schließlich austritt („The Nun's Story“); sie war die Russin Natascha („Krieg und Frieden“) – aber vor allem konnte sie die für die Wirtschaftswunderjahre so wichtigen Rollen der stets natürlich und bescheiden wirkenden jungen Aufsteigerin, „Breakfast at Tiffany's“, „My Fair Lady“ oder „Sabrina“. Sie war sowohl in Amerika wie auch bei den Garbo-müden Deutschen die Ablösung der selbstbewußten Busenwunder. „Dieses Mädchen allein wird vielleicht den Busen zu einer Sache der Vergangenheit machen“, freute sich ausgerechnet Billy Wilder. Teenager in den USA ließen sich die Haare zum „charmanten Gestrubbel“ herrichten, schminkten sich die Augen pharaonenhaft-schräg und besorgten sich Knabenhosen.

„Audrey Hepburn ist auf dem Wege, Königin des Kinoreiches zu werden ohne Ehescheidung oder einen Skandal, ohne Zurschaustellung ihres Torsos, ohne Rendezvous mit Ali Khan und ohne Fernsehgepräch mit Porfirio Rubirosa“, freute sich die Presse. Adieu, Femme fatale, hier kommt das „junge Hündchen“ (der Spiegel, „das junge Füllen“, „Frühling“, „Unschuld“.

Aber ganz so einfach ist's nicht mit der Hepburn, das sah man am besten in „Charade“, dem Thriller- Ulk von Stanley Donen, nachdem ich ihr zum Opfer gefallen bin. Die Chose hebt an in grellend weißen Bergen, sie dreht dem verwirrten Cary Grant ein sonnenbebrilltes Blitzauge zu, ein Rotzbengel schießt ihr aus der Wasserpistole ins Gesicht, und trotzdem ist der Zauber nicht durchbrochen. Später sucht sie ihren ermordeten Mann in der leersten Pariser Wohnung, die man sich vorstellen kann, stets in einfach umwerfenden Chanel, und schlägt aber später, Eleganz hin oder her, die Zähne gierig in ein altes Sandwich, das der schmierige Walter Matthau ihr anbietet.

Den ganzen Film über hält man den Atem an, weil die Hepburn so ein Kobold ist, der schönste, eleganteste und klügste, den Hollywood je gesehen hat. Die Hepburn konnte zaubern.

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