„Die EG-Agrarreform muß vollzogen werden“

■ Interview mit Jochen Borchert, Landwirt in Bochum, Bundestagsabgeordneter der CDU und seit heute Landwirtschaftsminister in Kohls überholtem Kabinett

taz: Herr Borchert, freuen Sie sich auf Ihren neuen Job?

Borchert: Ja, es ist eine außerordentlich interessante Aufgabe. Die Agrarpolitik steht vor neuen Problemen, sie muß z.B. die ostdeutsche Landwirtschaft integrieren.

Was ist daran erfreulich? Ungefähr ein Viertel der Landwirtschaftsfläche der ehemaligen DDR ist seit der Vereinigung stillgelegt worden...

Das ist eine Folge der Übergangsregelung. Die EG-Agrarreform wird jetzt auch in den neuen Ländern einsetzen. Dann gilt auch dort der von der Reform angestrebte Stillegungsanteil von 15 Prozent. Das wird sich einpendeln. Der Wandel der Agrarstrukturen, die wir bei der Wiedervereinigung vorgefunden haben, wird weiter andauern. Dies wird man politisch unterstützen müssen. Ich glaube, daß wir nach einer Übergangszeit außerordentlich leistungs- und wettbewerbsfähige Betriebe in den neuen Ländern haben werden.

Im Osten herrscht inzwischen Massenarbeitslosigkeit auf dem Lande. Der „Arbeitskräftebesatz“, wie es im Agrarbericht heißt, ist enorm reduziert worden.

Die LPGs waren mit Arbeitskräften wesentlich überbesetzt. Selbst wenn sich die Strukturen der Betriebe gar nicht ändern würden, würde die Zahl der Beschäftigten zurückgehen. Denn Wettbewerbsfähigkeit heißt natürlich auch, daß die Produktivität derjenigen der EG, anderer europäischer Länder und der alten Bundesländer entsprechen muß. Es wird eben nicht jeder dieser Betriebe die Chance haben, in schwarzen Zahlen zu produzieren. Dies muß ja auch das Ziel der Strukturreform sein.

Die Höfe, die übrig bleiben, werden größer sein. Schon jetzt bewirtschaften Einzelpächter auch mal weit über 1.000 Hektar. Wird es in Zukunft zwei deutsche Landwirtschaften geben, eine mittelständische im Westen und eine großagrarische im Osten?

Nein, so etwas können Sie nicht aus dem gegenwärtigen Zustand schließen. Das ist nur eine Momentaufnahme. Sie könnten ebensogut weiter in die Vergangenheit zurückgehen, dann wären die Unterschiede noch bedeutender: wenn sie etwa die Betriebe der DDR mit mehreren tausend Hektar mit den westlichen Größenordnungen vergleichen. Die Entwicklung in den neuen Ländern ist sehr differenziert zu betrachten. Insgesamt werden die Betriebe in der Tat größer sein. Das war aber von vornherein abzusehen. Auch die Betriebsgrößen in der alten Bundesrepubllik werden sich weiter verändern, die Strukturen in den neuen und alten Ländern werden sich einander schrittweise annähern. Andere Unterschiede werden noch einige Zeit bestehen bleiben: Im Westen finden Sie überall Betriebe, die Landbewirtschaftung mit Milch- und Viehwirtschaft kombinieren, während viele Wiedereinrichter in den neuen Ländern sehr viel stärker auf Marktfruchtanbau setzen. Aber auch das wird sich mit der Zeit angleichen.

Muß es denn immer so weitergehen mit dieser EG-Agrarpolitik? Kein Mensch hat sie je verstanden, geschweige denn begrüßt.

Was meinen Sie damit? Es geht ja nicht so weiter.

Es ist doch nicht zu leugnen, daß wir mit Steuern eine Überschußproduktion finanzieren.

Aber mit der EG-Agrarreform ist ein wichtiger Schritt getan. Zum ersten Mal ist die Voraussetzung dafür geschaffen worden, daß die Produktion reduziert wird und wir uns einem Marktgleichgewicht annähern können. Diese Reform muß nun erst einmal vollzogen werden.

Sie wollen also die Politik Ihres Vorgängers fortsetzen?

In der Amtszeit von Ignaz Kiechle wurden mit der Produktionsbegrenzung in der EG und dem Kompriß zwischen EG und den USA in den Gatt-Verhandlungen zwei wichtige Reformschritte abgeschlossen. Auf dieser Grundlage kann eine erfolgreiche Agrarpolitik entwickelt werden.

Kiechle hat dafür besonders vom Deutschen Bauernverband Prügel einstecken müssen. Worauf machen Sie sich gefaßt?

Selbstverständlich kann das Verhältnis zwischen einem Interessensverband und der Politik nicht konfliktfrei sein.

Wo fühlen Sie sich eher zu Hause – in der Bonner und Brüsseler Bürokratie oder bei den Bauern und ihren Verbänden?

Ich vertrete, und zwar aus Überzeugung, die agrarpolitischen Grundlinien der Fraktion, der Koalition und der Bundesregierung. Das ist kein Zu-Hause-Fühlen in irgendeiner Burokratie, hier gibt es einen intensiven Abstimmungsprozeß.

Aber Brüssel ist fern. Sie selbst sind Landwirt. Empfinden Sie keine Sympathie für demonstrierende Bauern?

Ich kann verstehen, daß Bauern demonstrieren. Die Entscheidungen, vor denen sie heute stehen, sind außerordentlich schwierig. Aber ich vertrete keine Interessen irgendeiner Bürokratie, ich versuche den Strukturwandel der Landwirtschaft zu gestalten und sozial zu flankieren. Der Strukturwandel selbst ist keine Folge der Politik, dahinter stehen ökonomische Veränderungen.

Ausgerechnet die ökologisch wirtschaftenden Höfe überleben besonders gut. Auch das steht im „Landwirtschaftsbericht der Bundesregierung“. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Der ökologische Landbau soll weiterhin gefördert werden. Aber diese Produktion ist teuer. Wir müssen sehen, wie aufnahmefähig der Markt dafür ist. Wir sollten keine Hoffnungen wecken, die dann nicht erfüllbar sind.