: Sektflecken inklusive
■ Scarlatti's Birthday Party wieder im St. Pauli Theater
wieder im St. Pauli Theater
Nie im Fernsehen, nie bei Schmidts ist sie zu sehen, die wunderbare Truppe der Natural Theatre Company aus Bath in England, sondern im rot-plüschigen St. Pauli Theater auf der Reeperbahn, kostenfrei gesponsort über den Kanal geschippert, zur Freude der Hamburger nun schon zum 8. Mal in unserer Stadt.
Schön wie immer war es, erwartungsfrohes Geschnatter, viel Englisch zu hören, man gab sich so britisch wie es die Hanseaten lieben. Viele Dauerfans, steife Kaufleute mit Gattinnen, Yuppies, Großmütter mit Teeny-Enkeln, viele schicke Leute und alle setzen nach der Pause freiwillig und klaglos die verordneten bunten Papierhütchen auf. Man will sich mal wieder so richtig in Wallung bringen lassen, hat man doch sonst nicht so viel zum Lachen.
An Handlung ist nicht viel, aber es reicht und ist ohnehin bedeutungslos. Domenico Scarlatti, wohl auch im wirklichen, vergangenen Leben gegenüber den musikalischen Erfolgen seiner Zeitgenossen Bach und Händel, alle Jahrgang 1685, ein wenig im Abseits, ist sauer: er hat Geburtstag, aber keiner kommt, niemand ruft an oder schickt eine Postkarte, man kennt das ja, nun wird also das Publikum eingeladen, mitzufeiern, mitzuspielen und mitzusingen und das tut es begeistert: der Hallelujah-Chor aus Händel's Messias übertönt donnernd die unterm Theater grummelnde U-Bahn.
Wer denn nun der beste der drei Musiker sei? Um nicht alle 555 Sonaten Scarlatti's anhören zu müssen, lassen Bach und Händel ihn einfach gewinnen, und daß dabei der köstliche Ralph Oswick als Scarlatti keinen einzigen Ton selber spielt, fällt kaum auf. Wer nicht mitspielen mag und Sektflecken auf seinen besten seidenen Klamotten vermeiden will, setze sich besser nicht in die ersten Reihen! Die Musik ist ebenso mitreißend wie live, die Darsteller und Musiker hinreißend; da macht es nichts, daß die Paganini-Variationen nicht ins 17. Jahrhundert gehören und Mozart's „Kleine Nachtmusik“ viel später entstand. Es ist ein herrlicher, intelligenter Klaumauk, obendrein jugendfrei, a must! Paula Giese
Noch bis 14.2.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen