: Frustaktion oder Kampfansage?
■ Unbekannte zertrümmerten Samstag nacht in der Frankfurter Allee zahlreiche Schaufenster großer Läden
Friedrichshain. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei, zurück blieb ein Scherbenmeer: In der Nacht zu Sonntag zogen mehrere Dutzend, teilweise vermummte Personen über die Frankfurter Allee, rollten Rohre auf die Fahrbahn und schlugen die Fensterscheiben von elf Geschäften ein. In den Vorraum einer Bank warfen sie einen Brandsatz, der nach Angaben des Lagedienstes aber nur geringen Schaden anrichtete. Als die Polizei in der Frankfurter Allee eintraf, waren die Täter bereits verschwunden. Während im Polizeibericht von rund 150 Aktivisten die Rede war, berichtete ein Augenzeuge der taz von knapp 60 Personen.
Notdürftig über die Löcher gekleisterte Glasstücke und Spanplatten zeugten gestern mittag noch von dem nächtlichen Spuk. Erwischt hatte es vor allem die größeren Geschäfte und Restaurants auf der Frankfurter Allee zwischen Bersarinplatz und Kolbestraße. Beim Bekleidungsgeschäft „New Yorker“, dem Computer-Systeme- Laden „Unicorn“, dem Autohaus „Golbeck“ und dem Schuhgeschäft „Stiller“ war kaum ein Fenster heilgeblieben. Nur der Fast- food-Laden „Burgerking“, der in der Vergangenheit schon diverse Male dran glauben mußte, war diesmal davongekommen: dank eines engmaschigen Gitters, das die Scheiben auch tagsüber verunziert.
Ein Kellner des italienischen Restaurants „Roma“ hatte mit seinen Kollegen gerade den Feierabend begossen, als es klirrte. Warum? „Ich habe keine Ahnung“, zuckte er gestern ratlos die Achseln und deutete auf eine an den Rolladen eines Friseurgeschäfts gesprühte Parole älteren Datums: „Vielleicht hat das damit was zu tun.“ Neben einem schwarzen Hausbesetzerzeichen ist dort „Spekulanten raus“ gekrakelt. Ein 33jähriger Passant, der in der Kriegsopferfürsorge tätig ist, freute sich ganz offen über die Scherbenaktion. „Die kleinen Läden werden hier doch von den Konzernen verdrängt, weil sie die Gewerbemieten nicht mehr zahlen können.“ Ein 30jähriger arbeitsloser Maurer war sich sicher, daß „die Hausbesetzer von dort drüben“ (Fingerzeig in Richtung Bahnhof Lichtenberg) hinter dem Spuk stecken: „Die hatten mal wieder Frust“, schimpfte er. „Ick habe ooch Frust, aber deshalb laß ick den doch nich an den Geschäften hier aus.“
Der Friedrichshainer Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu (SPD) vermochte sich die Aktion nicht zu erklären. „Mir widerstrebt es, irgend jemanden einfach so zu bezichtigen.“ Die Rechten könnten es nicht gewesen sein, weil die in Friedrichshain nicht so viele Leute auf die Beine brächten. Und mit den Hausbesetzern gebe es zur Zeit keine Differenzen. plu
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