: Unsichtbarer Ideenreichtum
■ Geringes Publikumsinteresse bei den Deutschen Squash-Meisterschaften
Hamburg (taz) – Eigentlich hatte sich der Mann in dem verschwitzten Ringel-T-Shirt für den Sonntag nachmittag etwas anderes vorgenommen. Der Kieler Squashprofi Simon Frenz wollte wie in den beiden Vorjahren im Finale der Deutschen Meisterschaften stehen. Doch der Plan wurde vom Ingolstädter Oliver Rucks am Sonnabend abend vereitelt. Überraschend besiegte Rucks den nationalen Ranglistenzweiten in vier Sätzen. „Es fehlte mir an Schnelligkeit“, äußerte sich Frenz zu dieser Niederlage, „das Spiel vom Freitag abend steckte mir wohl noch zu sehr in den Knochen.“ Genervt reagierte er auf die Frage eines Fachjournalisten, der ihm mangelnde Kreativität vorwarf. „Ideen habe ich genug“, erwiderte Frenz.
Für den Zuschauer ist solcher Ideenreichtum bei dieser Sportart kaum zu bemerken. Der Ball wird meistens an der Wand entlang gespielt, ab und an unterschnitten oder als Stopp kurz über die Markierung an der Wand gesetzt. Zudem ist das ganze Spektakel in Betoncourts eingezwängt, einzig die Rücken der Spieler sind zu sehen. Das erklärt vielleicht den geringen Stellenwert, den Squash als Wettkampfsport in Deutschland hat. Nur etwa 300 Zuschauer fanden sich bei den Meisterschaften ein.
Im Freizeitbereich sieht es anders aus: Rund 2,5 Millionen Deutsche haben das schnelle Rückschlagspiel im Käfig mindestens einmal probiert, etwa 800.000 gehen regelmäßig in eine der 1.105 kommerziellen Anlagen. Die Branche mit der schweißtreibenden Leibesübung boomt: fast eine halbe Milliarde Mark wird jährlich mit den 6.221 Courts umgesetzt.
Die ersten deutschen Squashcourts entstanden 1935 als sog. Wandspielhallen bei Siemens in Berlin. Doch das in England erdachte Spiel konnte sich nicht durchsetzen und geriet bald in Vergessenheit. Erst 1968 wurde ein zweites Mal versucht, das Wandspiel in Deutschland zu etablieren, diesmal unter dem Namen Squash. Und das als Ausgleichssport für bewegungsarme Büromenschen seit Beginn der 80er Jahre mit zunehmenden Erfolg. Die Sportart avancierte zum Synonym für Fitness und Dynamik. Das schweißtreibende Tun in der Betonzelle wurde gesellschaftsfähig.
Erfolgreich sind auch die deutschen Spitzenspielerinnen und -spieler. Der mehrfachen Deutschen Meisterin Sabine Schöne und ihrem männlichen Pendant Hansi Wiens gelang es, unter die Top-Twenty der Weltrangliste vorzustoßen. Ein Erfolg allerdings, der sich wie in den meisten Randsportarten finanziell nicht rentiert. Der Paderborner Wiens, die Nummer 18 der Weltrangliste, schafft es ebenso wie die Weltranglistenzwölfte Schöne kaum, seinen Lebensunterhalt und die Reisekosten zu bestreiten. „Auf den Turnieren in der ganzen Welt zu spielen ist ein großes Risiko, das mich zur Zeit noch eine Menge Geld kostet“, erklärt Wiens. Sieben Monate im Jahr ist er unterwegs, in Paderborn trainiert er im Schnitt fünf Stunden pro Tag. Die größten Einnahmen bringen sieben Wochen Bundesliga sowie ein Gast-Vertrag in der englischen Liga. Dazu hat Wiens Sponsorenverträge mit Schläger- und Bekleidungsfirmen. Außerdem steht er mittlerweile bei den größten Turnieren der Welt im Hauptfeld und bekommt so von den Veranstaltern die Unterkunft bezahlt.
„Ich komme gerade mal mit plus minus null bei der Sache weg“, beklagt sich die Landshuterin Sabine Schöne. Zuwenig lukrative Turniere gibt es weltweit, insbesondere für Frauen. Zu sehr wird die Sportart von pakistanischen Spielern dominiert.
Bei den Deutschen Meisterschaften erreichten Wiens und Schöne souverän das Finale (nach Redaktionsschluß). Der Paderborner Bundesligaspieler steuerte seinen sechsten Titelgewinn in Folge an, ebenso hat sich gezeigt, daß es national keine Konkurrenz mehr für Sabine Schöne gibt. Auch sie schickte sich an, das halbe Dutzend vollzumachen. Die Ziele der beiden sind höher gesteckt. Die 18jährige Sabine Schöne will in diesem Jahr noch in die Top-Ten kommen, und auch Hansi Wiens plant mehr: „Ich will schließlich einmal ganz nach oben.“ Kai Rehländer
Männer, Halbfinale: Hansi Wiens (Paderborn) - Edgar Schneider (Sennelager) 9:2, 9:4, 9:0, Oliver Rucks (Ingolstadt) - Simon Frenz (Kiel) 4:9, 9:7, 9:3, 9:8
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