Brasilien: Kein Geld mehr für Atomenergie

■ Die neue Regierung unter Itamar Franco stoppt das teure Atomprogramm

Rio de Janeiro (taz) – Brasiliens Präsident Itamar Franco will kein Geld mehr in den Ausbau von Atomenergie investieren. Am vergangenen Wochenende bekräftigte er seine Überzeugung, das Atomkraftwerk Angra3 „unter keinen Umständen“ fertigzustellen. Über die Zukunft des AKWs Angra2 soll in den nächsten Wochen entschieden werden. Wie weiter verlautete, soll eine deutsche Bankengruppe angeboten haben, zur Finanzierung der restlichen Arbeiten an Angra2 1,1 bis 1,3 Milliarden bereitzustellen. – Von den drei Atomkraftwerken, die in den 70er Jahren geplant wurden, funktioniert heute nur das AKW Angra1. Das 1972 von der amerikanischen Firma Westinghouse an Brasilien verkaufte Atomkraftwerk ist in Brasilien unter dem Namen Glühwürmchen bekannt, da es wegen technischer Defekte häufig abgeschaltet werden muß.

Der Bau von Angra 2, 1976 im Rahmen des deutsch-brasilianischen Atomvertrages unter der Anleitung von Siemens begonnen, liegt seit 1986 auf Eis. Unter Präsident Fernando Collor bekam das Projekt neuen Auftrieb. Collors damaligem Energieminister Marcos Pratini de Moraes gelang es bei seinem Besuch in Bonn im Juli 1992, die noch fehlenden 300 Millionen Dollar für die Fertigstellung lockerzumachen.

Inzwischen sind die fehlenden Teile für Angra 2, die im Hamburger Hafen lagerten, in Brasilien eingetroffen. Doch allein für die Erhaltung und fachgerechte Verwahrung der Bauteile müssen Brasiliens SteuerzahlerInnen zehn Millionen Dollar im Monat aufbringen, ganz zu schweigen von den rund 1,5 Milliarden Dollar, die für die geplante Fertigstellung im Jahre 1996 notwendig wären.

Die hohen Kosten der AKW- Ruinen verstärkten Francos Ablehnung gegenüber der Nutzung von Kernenergie in Brasilien. Nach Angaben seines Pressesprechers Francisco Baker will er keinen Pfennig mehr in das brasilianische Atomprogramm stecken.

Die Entscheidung, den Bau von Angra 3 zu stoppen, hatte bereits Ex-Präsident Collor getroffen. Für das dritte AKW des brasilianischen Atomprogrammes existiert lediglich eine Baugrube. Die Situation von Angra 2, das den brasilianischen Staat bereits 4,5 Milliarden Dollar statt der ursprünglich geplanten 1,8 Milliarden Dollar gekostet hat, ist wesentlich komplizierter. Die äußeren Bauarbeiten sind abgeschlossen, nur die Montage des Innenlebens steht noch aus. „Francos Entscheidung, Angra 3 aufzugeben, beweist seine kritische Haltung gegenüber dem gesamten Atomprogramm“, sagte Baker. Für Angra 2 will der 62jährige Franco den Investitionsstopp zum Nachdenken benutzen. Astrid Prange