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„Aufstehen und widerstehen“

■ Überparteiliches Bündnis ruft zum Jahrestag des 30. Januar 1933 zu Demonstration am Samstag auf/ PDS veranstaltet eigene Kundgebung am Freitag

Berlin. Die Gruppen der Friedenskoordination (Friko) und mindestens 50 antifaschistische und antirassistische Bewegungen sowie Großorganisationen wie SPD und DGB haben dazu aufgerufen, sich am Samstag, den 30. Januar, an einer Demonstration unter dem Motto „Für eine andere Gesellschaft“ zu beteiligen. Auch die Jüdische Gemeinde, so kündigte ihr Vorsitzender Jerzy Kanal an, werde ihre Mitglieder bitten, teilzunehmen. Erinnert werden soll an die „Machtübertragung an die Faschisten“ vor 60 Jahren, beziehungsweise – wie es im SPD- Aufruf verharmlosend und ohne Anführungszeichen heißt – an die „Machtergreifung durch die Nationalsozialisten“. Treffpunkt ist um 15 Uhr das Gestapo-Gelände (Parkplatz Martin-Gropius-Bau). Die Abschlußkundgebung soll nach einem Zug an der Niederkirchnerstraße vorbei um 17 Uhr am Bebelplatz stattfinden.

Das Bündnis wird an diesem Tag gegen „Rassismus, nationalen Größenwahn, Antisemitismus und sexistische Diskriminierung“ protestieren. Der SPD-Landesvorstand demonstriert, um zu zeigen, daß „es ein zweites 1933 in Deutschland nicht geben wird“, und der DGB, um die „demokratischen Grundrechte offensiv zu verteidigen“. Alle Organisationen fordern auch dazu auf, sich nach der Kundgebung in die Lichterspur einzureihen. Sie beginnt um 17 Uhr zwischen Alexanderplatz und Siegessäule und endet kurz nach 18 Uhr. Wie die Initiatoren – eine Reihe Berliner Künstler – hoffen auch die Friedensgruppen, daß keine Fackeln, sondern nur Kerzen getragen werden. Wie schwierig Bündnisveranstaltungen allerdings zu bewerkstelligen sind, zeigte die wochenlange Auseinandersetzung um die Rednerliste bei der Kundgebung am 30. Januar. Diese Debatte artete in der vergangenen Woche zu einem handfesten Streit zwischen PDS-Mitgliedern, die im Bündnis mitarbeiten, und dem PDS-Vorstand aus. Entschieden wurde er dann ganz und gar nicht salomonisch, sondern durch einen Artikel von Gregor Gysi im Neuen Deutschland. Die PDS-Leitung, kündigte er an, halte die Entscheidung des Bündnisses für falsch, keine Parteivertreter zu Wort kommen zu lassen. Denn am 30.Januar 1933 habe eine beispiellose Verfolgung von Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten begonnen, und deshalb, so Gysi, „ist es nicht nur unser Recht, sondern entspricht auch unserer Verantwortung, eine eigene Veranstaltung durchzuführen..., der eigenen Opfer zu gedenken... und die Erscheinungsformen des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik Deutschland zu geißeln“. Die eigene Kundgebung werde am 29.Januar um 17.30 Uhr im Lustgarten stattfinden. Reden werden unter anderen Gysi, Steffi Spira, Stephan Hermlin, Angela Marquart und Hans Modrow.

Inzwischen sind alle bemüht, diesen Konflikt herunterzuspielen und die PDS-Kundgebung als „ergänzende“ Veranstaltung zu bezeichnen. Der Parteivorstand bittet auf seinen Flugblättern zum 29.Januar, sich auch an der Demonstration am Samstag zu beteiligen, und die Friko, so Laura von Wimmersberg (PDS Kreuzberg), hält den Jahrestag für „wichtig genug, viele Veranstaltungen durchzuführen“. Unterderhand allerdings befürchtet man trotzdem eine faktische Spaltung.

Sowohl PDS-Pressesprecher Thomas Nord als auch Friko-Aktivistin von Wimmersberg bezweifeln, daß die alten Genossen und Zeitzeugen sich innerhalb von 24 Stunden zweimal auf die Beine machen. Um einen „Parteienproporz“ zu verhindern und eine „Massenbasis zu erreichen“, sei es wichtig gewesen, die Kundgebung am 30. Januar strikt überparteilich zu halten. Reden werden deshalb nur Arnold Munther, Zeitzeuge und Mitglied im Bund der Nazi- Verfolgten, Andreas Nachama für die Jüdische Gemeinde, ein Vertreter der Roma und Sinti Union, Brigitte Ziegler für den DGB und Antje Zander für den Dachverband Jugend gegen Rassismus in Europa. aku

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