: Porsche weiter auf Schleuderkurs
Bei den Zuffenhausener Sportwagenbauern sacken Absatz und Produktion der schnellen Flitzer weiter ab/ Millionenverluste sind bereits einkalkuliert ■ Von Erwin Single
Berlin/Stuttgart (taz) – Wendelin Wiedekind, Deutschlands jüngster Automobilboß, nimmt seinen neuen Job recht locker. „Unsere Visionen sind größer als die Vorstellungskraft unserer Kritiker“, versucht der erst gut 100 Tage auf dem Vorstandssessel der Stuttgarter Sportwagenfabrik Porsche sitzende 40jährige Manager sich selbst Mut zu machen. Den braucht Wedekind wohl auch, denn eigentlich dürften ihm die Kennzahlen seines Betriebs den Angstschweiß auf die Stirn jagen.
Erstmals in der traditionsreichen Firmengeschichte mußte Porsche im Geschäftsjahr 1991/92 einen Umsatzrückgang von über 13 Prozent und einen Verlust von 65,8 Millionen hinnehmen. Kaum mehr als 20.000 Flitzer konnten die Sportwagenpäpste im letzten Jahr an ihre immer kleiner werdende Fangemeinde verhökern. Spitze ist das schwäbische Familienunternehmen inzwischen nur noch auf zwei Gebieten: Im Preis – das Eintrittmodell in den Edelclub kostet bereits über 90.000 Mark – sowie in der rund 8.000 Mitarbeiter starken Belegschaft. Das Ergebnis: Für das laufende Geschäftsjahr (bis 30.6.) werden bereits Verluste von rund 200 Millionen Mark einkalkuliert.
Das soll jetzt aber, dank dem Juppie Wedekind, ganz anders werden. Schonungslos will der Auto-Youngster den maroden Sportwagenladen sanieren: Ende diesen Jahres werden nur noch rund 6.000 Autobauer an den Bändern stehen; die Kosten sollen bis 1995 um 30Prozent gesenkt werden, die Preispolitik inbegriffen. Das Hauptproblem bei Porsche, das wissen die Branchenkenner seit Jahren, ist neben den chaotischen Verhältnissen die verfehlte Modellpolitik. Nicht nur daß sich die Modelle irgendwie ähnlich sehen, obwohl eigentlich kein Teil zum anderen paßt. Der eine hat den Motor vorne, der andere hinten, der eine ist luft-, der andere wassergekühlt. Die Schlitten gehen am Markt vorbei und sind insgesamt viel zu teuer. Kein Wunder, daß der US-amerikanische Power- Report Porsche von 30 Automarken auf den drittletzten Platz setzte – gerade noch vor Koreas Hyundais. Hätte nicht der Nachbar Mercedes mit Produktionsaufträgen für seine Nobelkarosse 500E ausgeholfen, Porsche wäre glatt gegen die Wand gefahren.
Nun will man sich verstärkt nach Lohnfertigungsaufträgen umsehen, denn bis die auf dem kürzlich präsentierten und überschwenglich gelobten James- Dean-Imitat „Boxter“ basierende neue Modellreihe trägt, muß Porsche vom Ersparten zehren. Rund 600 Millionen haben die Porsche- Enkel auf der hohen Kante, das reicht zunächst für ein paar Jahre. Bis dahin haben sich die heillos zerstrittenen Familienstämme Porsche und Piech vielleicht wieder zusammengerauft. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits: Porsche soll, so der Wille des Firmenpatriarchen Ferry Porsche, nicht verkauft werden. Dabei würde der neue VW-Chef Ferdinand Piech, selbst ein Sproß des Porsche- Clans, sich gerne mit den Sportschlitten schmücken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen