: Anti-Rassismus wurde diskreditiert
■ Ein ambitioniertes Anti-Rassismus-Programm wurde in London nach heftiger Kritik wieder eingestellt
Dublin (taz) – „Anti-Rassismus als Erziehungsbewegung an Schulen ist seit dem Ende des Projekts in Brent diskreditiert“, sagte Jim Dunne gestern zur taz. Dunne ist Bildungsbeauftragter im Nord- Londoner Stadtteil Brent und arbeitete bis 1991 als Koordinator für das ambitionierte „Entwicklungsprogramm für Rassengleichheit“ (DPRE).
Das Programm wurde 1987 eingeführt. Es umfaßte nicht nur die Entwicklung eines anti-rassistischen Curriculums, sondern auch Fortbildungskurse für Lehrpersonal, Beratung von Schulen, die Einrichtung von Arbeitsgruppen und die fortlaufende Kontrolle der Lernerfolge. Brent erhielt zunächst keine staatlichen Zuschüsse. 1988 beauftragte der damalige Innenminister Douglas Hurd den Vorsitzenden der „Kommission für Rassengleichheit“, David Lane, mit einer Untersuchung des DPRE-Programms. Sein Bericht war äußerst kritisch: „Der Versuch, schwarzen Menschen dabei zu helfen, die Auswirkungen früherer Diskriminierung und Benachteiligung zu überwinden, kann auch zu weit gehen. Und das ist ganz eindeutig in Brent geschehen.“ Lane sagte, die Stadtverwaltung von Brent wende das Programm „unsensibel an und mischt sich übermäßig in die Verwaltung der Schulen ein“. Das gebe zu Befürchtungen Anlaß, daß die „Diskriminierung dadurch einfach umgekehrt“ werde. Lane kritisierte vor allem die Tatsache, daß Neueinstellungen und Beförderungen nur noch nach anti-rassistischen Kriterien erfolgten.
Dennoch empfahl er der Regierung, das Programm zu finanzieren, da es „einen positiven Beitrag“ zur Integration ethnischer Minderheiten in den Schulen leisten könne, auch wenn die konkreten Ergebnisse bis dahin minimal gewesen seien. Lane knüpfte die Finanzierung jedoch an Bedingungen: Das Programm sollte genau überwacht werden und die „Integration sowie die Verbesserung der schulischen Leistung vorrangig zum Ziel haben“. Die Regierung machte schließlich 1,5 Millionen Pfund für eine dreijährige Laufzeit locker. 1991 kam jedoch das Aus.
„Die Gegner des Programms behaupteten, es sei ein politisches Werkzeug der Labour Party“, sagte Jim Dunne. „Die Schuldirektoren waren dagegen, weil sie keine vollständige Kontrolle darüber hatten.“ Aber auch unter dem Lehrpersonal löste das DPRE-Programm Unbehagen aus. „Sie sahen in den DPRE-Mitarbeitern Rassen-Spione, die ständig auf der Suche nach rassistischen Äußerungen waren“, sagte Dunne. „Die Vertrauensbasis war schließlich zerstört.“ Darüber hinaus stieß das Projekt auch im Stadtrat, bei den Gewerkschaften und bei den Eltern auf immer stärkere Opposition. Die Mehrheit der Eltern bemängelte, daß das Programm nicht auf die wirklichen Bedürfnisse der SchülerInnen einginge. „Die Eltern hielten das Ganze für eine anti-rassistische Hexenjagd“, sagte Dunne. „Es war schließlich nicht mehr haltbar.“ Ralf Sotscheck
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