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Zwischen Einsparung und Widerstand

■ Eigenbetriebe als Anstalten des öffentlichen Rechts oder als AG: Eine Umwandlung brächte zwar mehr wirtschaftliche Flexibilität, aber auch Mehrkosten an anderer Stelle und beschnitte die Mitbestimmung

Berlin. Daß die Eigenbetriebe aus den bürokratischen Klauen des Landes herausgenommen und in eine andere Rechtsform umgewandelt werden sollen, ist innerhalb der Großen Koalition eine ausgemachte Sache. Zu hoch sind die jährlichen Defizite, zu unflexibel können BVG, die BSR, Wasserbetriebe und Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betriebe (BEHALA) auf die Neuerungen der Zeit reagieren. Doch damit sind – zumindest fürs erste – die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft.

Denn während die SPD-Fraktion auf ihrer letzten Klausurtagung beschloß, die Eigenbetriebe in Anstalten des öffentlichen Rechts umzuwandeln, ist bei der CDU der Diskussionsprozeß noch nicht abgeschlossen. CDU-Fraktionvorsitzender Klaus-Rüdiger Landowsky ließ verlauten, seine Partei könne sich Anstalten des öffentlichen Rechts und die privatrechtlichen Formen der Aktiengesellschaften (AG) oder der GmbH vorstellen. Letztlich geht es um die Frage: Wie weit wird zukünftig die öffentliche Kontrolle reichen, wie weit werden die Rechte der rund 46.000 Arbeitnehmer geschützt?

Derzeit gilt: Die Eigenbetriebe sind gegenüber Senat und Parlament rechenschaftspflichtig und haben sich unter anderem an die Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung (LHO) zu halten – was bei einer Umwandlung wegfallen würde. Um die „wirtschaftliche Flexibilität“ zu erhöhen – etwa außerhalb der Stadtgrenze tätig zu werden und gemeinsam mit Dritten Tochtergesellschaften zu gründen – unterstützt mittlerweile auch die ÖTV die Umwandlung in Anstalten des öffentlichen Rechts. Allerdings muß nach den Worten von ÖTV-Sekretär Ernst-Otto Kock dafür gesorgt werden, daß „das Land seinen beherrschenden Einfluß nicht verliert“. So pocht denn auch die ÖTV darauf, in den Errichtungsgesetzen der Anstalten den Einfluß des Landes und die Arbeitnehmerrechte festzuschreiben. Die SPD hat zugesagt, die geltenden Mitbestimmungsrechte in die Anstalten mit zu übernehmen.

Immerhin sind die Verwaltungsräte der Eigenbetriebe derzeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch besetzt. Bei einer Aktiengesellschaft befürchtet die ÖTV hingegen eine Verschiebung zugunsten der Arbeitgeber. Nicht zu Unrecht: Denn trotz formaler Parität in den Aufsichtsräten einer AG hat der jeweilige Vorsitzende, der zumeist von der Kapitalseite gestellt wird, ein doppeltes Stimmrecht. Auch in der Aktionärshauptversammlung ist nach dem Aktiengesetz der politische Einfluß der öffentlichen Eigentümer deutlich eingeschränkt.

Anders in den Anstalten: Der Aufsichtsrat, der den geschäftsführenden Vorstand kontrolliert, kann mehrheitlich mit Vertretern des Landes besetzt werden. Eine Tatsache, auf die auch die SPD in ihrem jüngsten Beschluß zur Zukunft der Eigenbetriebe abhebt: Allerdings sollten keine weisungsgebundenen Personen in das Gremium berufen werden.

Während Teile der CDU und der FDP sich von einer Privatisierung deutliche Einsparungen versprechen, sieht die ÖTV zusätzliche Kosten auf die Kunden zukommen. Denn im Gegensatz zu einer AG oder einer GmbH brauchen Anstalten des öffentlichen Rechts für die Müllabfuhr, Straßenreinigung und Abwasser keine Mehrwertsteuer zahlen. Für die BSR, so ein Gutachten vom Institut WIBEKA, kämen bei einer Umwandlung in eine AG durch Steuerbelastungen (unter anderem bei der Mehrwert-, Kapital-, Vermögens- und Grundsteuer) 150 Millionen Mark hinzu. Bei rund 1 Milliarde Mark Umsatz im vergangenen Jahr wären nach Ansicht der ÖTV solche Summen nur durch einen Personalabbau oder höhere Gebühren zu erreichen.

Auch das vom Senat bestellte Gutachten von „BOSSARD-Consultants“ kommt bei einer Umwandlung der BVG in eine AG zu dem Schluß, daß dadurch zwar Mittel in Höhe von 319 Millionen Mark (gegenüber 253 Millionen Mark bei einer Anstalt) eingespart werden können. Die Kehrseite, so die Gutachter, sind jedoch Kosten ganz anderer Art: „Eine möglichst teilprivatisierte AG bringt die höchsten Einsparungen, jedoch auch den massivsten Widerstand.“ Severin Weiland

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