: Grünes Licht für goldene Nase
■ Land zahlt für Ampelanlagen überhöhte Preise an Elektrokonzern Siemens/ Exklusivvertrag seit 20 Jahren
Berlin. 249 Ampelanlagen wurden im letzten Jahr in Berlin aufgestellt. Für die Firma Siemens war dies, so hat sich jetzt herausgestellt, ein blendendes Geschäft. Denn der Elektroriese profitierte, wie bereits die Jahre zuvor, von einer Vereinbarung mit der Bauverwaltung, die ihm quasi Exklusivrechte bei der Errichtung und Wartung von „Lichtsignalanlagen“ sichert. Er hat diesen Umstand weidlich zu nutzen gewußt, denn das Land Berlin zahlte ihm bereitwillig ein Mehrfaches dessen, was die Siemens-Produkte im übrigen Bundesgebiet kosten.
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Rainer Giesel, fand heraus, daß für die gleiche Lichtsignalanlage der Firma Siemens die im letzten Jahr an der Egon-Erwin-Kisch-Straße zum Preis von 125.000 Mark installiert wurde, die Stadt Wolfenbüttel lediglich 19.919 Mark hinlegte. Die Stadt Hannover berappte 20.349 Mark für ein Modell, dessen Wert an der Kurt-Fischer-Straße in Berlin 115.000 Mark betrug. Ähnlich ungünstig fiel der Preisvergleich mit Anlagen in Brandenburg aus. Während die Anlage an der Kreuzung Langhans-/ Gustav-Adolf- Straße 250.000 Mark kostete, regelt die Gemeinde Mahlow zu Zweidrittel dieser Summe den Verkehr gleich an zwei Kreuzungen. Wie Giesel erklärte, handelt es sich jeweils um die gleichen Bautypen und Installationen.
Er erblickt darin einen „sträflichen Umgang mit Steuergeldern“. Da es sich seiner Vermutung nach um eine Ausschließlichkeitsvereinbarung mit Siemens handelt, kommt dabei ein hübsches Sümmchen zusammen. Im letzten Jahr betrugen die Investitionen in diesem Bereich immerhin 60 Millionen Mark, in diesem Jahr sollen sie auf das Doppelte steigen.
Nach Auskunft des zuständigen Hauptabteilungsleiters in der Bauverwaltung, Frieder Bühring, handelt es sich bei der Abmachung mit Siemens um eine Vereinbarung ohne zeitliche Begrenzung, von der man jederzeit zurücktreten könne. Danach ordert das Land alle listenmäßigen Erzeugnisse für Ampeln bei der Firma und erhält dafür einen Rabatt von 15 Prozent. Diese Vereinbarung existiert seit 1970. Man habe, so betont die Bauverwaltung, immer wieder Preisvergleiche angestellt, es seien Preise gewesen, die Siemens in der ganzen Welt anbiete. Allerdings hat Bühring mittlerweile den Eindruck gewonnen, „daß es auch billiger geht“.
Im Abgeordnetenhaus war diese Vereinbarung mit Siemens bislang nicht bekannt. Giesel war überrascht, daß der gleiche Hersteller die gleichen Produkte zu so unterschiedlichen Preisen anbietet. Er fragt sich nun, ob die Vereinbarung tatsächlich alle drei Jahre auf ihre Wirtschaftlichkeit hin kontrolliert wurde, wie es die Landeshaushaltsordnung vorschreibt und warum die Preise niemals durch öffentliche Ausschreibung überprüft wurden. Ausschreibungen haben sich, nach Auskunft der Bauverwaltung, früher erübrigt, da es keine anderen Anbieter gegeben habe. Dies scheint sich mittlerweile geändert zu haben, denn immerhin will man nun zehn Anlagen ausschreiben. Demnächst wird sich der Hauptausschuß mit den Exklusivgeschäften befassen. Dieter Rulff
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