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Testfall für die deutsche Afrika-Politik

Das Massaker an Demonstranten während eines deutschen Politikerbesuches in Togo fordert Bonn heraus/ Die Entwicklungshilfe soll suspendiert werden – aber was heißt das?  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – 74 Jahre nachdem Deutschland seine westafrikanische Kolonie Togo dem Völkerbund übergab, richten sich die Augen der Togoer auf Bonn: Anlaß ist ein Massaker an Demonstranten durch die togoische Polizei am Montag, während sich der Bonner Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut Schäfer, im Land aufhielt. Über 50 Menschen kamen nach Oppositionsangaben zu Tode. Schäfer, der gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Marcel Débarge Togo bereiste, besuchte Krankenhäuser in der Hauptstadt Lomé und äußerte „scharfen Protest“. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Politiker „eine internationale Untersuchung und die Bestrafung der Schuldigen“.

Schäfer und Débarge wollten in Togo zwischen Regierung und Opposition vermitteln, um den festgefahrenen Demokratisierungsprozeß in der einstigen Militärdiktatur neu in Gang zu bringen. Das seit 1963 herrschende Militär hat sich mehrmals gewaltsam gegen eine Beschneidung seiner Macht gewehrt, obwohl eigentlich schon längst Wahlen hätten stattfinden sollen.

Um den seit 1967 regierenden Staatspräsidenten Gnassingbe Eyadema zu zwingen, das Militär an die kurze Leine zu nehmen, rief die Opposition im vergangenen November einen unbefristeten Generalstreik aus. Im taz-Interview forderte Oppositionsführer Kango Lare-Lantone Anfang Januar, „weite Teile der Streitkräfte in den Ruhestand zu versetzen“. Er erklärte: „Eyadema schuf eine Armee von 13.000 Mann, die Waffen benutzt, die wir bezahlen mußten und die sich nun gegen die Bevölkerung richten.“

Schäfer und Débarge trafen in Lomé mit Oppositionellen zusammen und reisten anschließend in Eyademas Residenz im Norden Togos. Während sie dort weilten, kam es zu der blutig niedergeschlagenen Kundgebung in Lomé. Am Dienstag räumte die Polizei gewaltsam die Straßen zum Flughafen der Hauptstadt – Demonstranten hatten sie blockiert, um die beiden Politiker zu einer Verlängerung ihres Aufenthalts zu zwingen. Gestern herrschte in Lomé Ruhe. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes forderten Schäfer und Débarge Eyadema auf, „sich öffentlich zu verpflichten, den Streitkräften zu befehlen, in den Kasernen zu bleiben und nicht in die politische Entwicklung einzugreifen“. Die EG beschloß am Dienstag die Suspendierung der Entwicklungshilfe an Togo mit Ausnahme von „humanitären Projekten“; gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Schäfer nach seiner Rückkehr, die deutsche Entwicklungshilfe stehe auf dem Spiel, wenn es nicht zu einem Runden Tisch mit Wahlen binnen drei Monaten und zur Öffnung der Medien für die Opposition komme.

In Bonn wird zur Zeit darüber verhandelt, was der EG-Beschluß zur teilweisen Suspendierung der Entwicklungshilfe real bedeutet; Deutschland faßte bereits 1991 einen entsprechenden Beschluß, und so wurden seitdem sowieso keine neuen Projekte genehmigt, die man jetzt einstellen könnte. Die existierenden Hilfszusagen an Togo summieren sich nach Angaben des Entwicklungshilfeministeriums auf 75 Millionen DM, davon 45 Millionen für Projekte der Wasserversorgung und die Rehabilitation des Hafens von Lomé und 30 Millionen für Projekte der ländlichen Entwicklung und der Gesundheitsvorsorge. Letztere zumindest würden, so ein Außenamtssprecher zur taz, unter die nicht suspendierte „humanitäre“ Hilfe fallen. Die militärische Zusammenarbeit Frankreichs und Deutschlands mit Togo ist bereits seit mehreren Jahren eingestellt.

Ein Signal für die Bonner Pläne könnte Schäfers Ankündigung sein, Wahlbeobachter bereits dann nach Togo zu schicken, wenn der Wahlkampf beginnt. Durch seine Beherrschung des Staatsapparates kann sich Eyadema nämlich gute Siegeshoffnungen machen.

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