: Wortmonster im Anflug
■ Wie Bremen und die SPD reanimiert werden sollen
Kenn Sie IKB? Nein, das ist nicht die Gruppe Ich Kau Bleistift, obwohl man das denken könnte. IKB steht für Initiativ Kreis Bremen, und das ist ein Kreis erlauchter Sozialdemokraten. Vom Ex-Staatsrat und jetzigen Leiter des Bremer Filminstituts Hans H. Euler über den Ex-Staatsrat und jetzigen Gewoba Chef Eberhard Kulenkampff, den Sparkassenchef Friedrich Rebers, Ex-Senator Moritz Thape bis hin zum letzten Bremer Landeszentralbankchef Kurt Nemitz: Allealle wollen Bremen retten und die Bremer SPD. Und als Sahnehäubchen obendrauf Theo Schlüter, der alte Haudegen vom Bremer Hörfunk. 17 Mann (!) hoch haben sie ein Papier geschrieben, und das hat den schönen Titel „Renaissance Bremischen SPD-Politik für die Zukunft des Landes Bremen“. Und weil der Titel so hübsch nach Zeugen Jehovas klingt heißt das ganze Unternehmen im Volksmund auch schon „Wiedererweckungspapier“.
Es ist schön, wenn sich ältere Menschen Gedanken um die Zukunft des Gemeinwesens machen. Aus der gesammelten Erfahrung können unkonventionelle Vorschläge erwachsen, die Jüngeren können sich oft die besagte Scheibe abschneiden. Zwölfeinhalb Seiten Sorge hat der Bremer Kreis vorgelegt. Das geht schon mit dem ersten Punkt los: „Die tatsächlichen Sorgen der Bevölkerung“. Was die wohl sind? Der Kreis sagt: Die Bremer SPD hat sich auf Unwichtiges konzentriert und das Wichtige vernachlässigt, und dann wird das Wichtige aufgezählt. Und das ist alles. Aha!
Und dann Punkt zwei: „Bremische Ursachen des Wahlverlustes“. Da steht drin: Die SPD hat die Wahl verloren nicht wegen der Bundespolitik, neinnein, sondern wegen hausgemachter Probleme.
Und dann kommt Punkt drei: „Profilierung für Zielgruppen“. Da steht drin, daß die Gesellschaft in Zielgruppen zerfällt und die SPD sich drauf einstellen soll.
Und dann kommt Punkt vier und dann Punkt fünf, und die bremische Selbständigkeit muß gewahrt werden mit der konsequenten Durchsetzung des Sanierungsprogramms bei gleichzeitiger Schwerpunktsetzung wos die Bürger am meistn drückt, und wer immer noch Einschlafschwierigkeiten hat oder im Sozialkundeunterricht der neunten Klasse nicht aufgepaßt hat, der kommt auch zu Punkt sieben und acht und läßt sich mitnehmen von mäandernden Satzmonstern, dessen Geist surft mühelos auf vollkommen inhaltsbereinigten Plattitüden, die Füße umspielt von der Gischt des soziologenchinesischen Meers.
Und weil das eine Kolumne ist, über die man sich freuen soll, noch eine Perle: „Die Palette wichtiger Handlungsfelder zukünftiger bremischer Politik ist äußerst vielfältig und komplex.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, findet Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen