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Haltegriffe und breite Türen

Der Behindertenservice in Hotels ist verbesserungswürdig  ■ Von Peter Völkner

„Wie breit ist die Badezimmertür?“ Der Mann an der Rezeption zuckt ratlos die Schultern. Er weiß, daß das Behindertenzimmer im Erdgeschoß liegt, von innen gesehen hat er es noch nie. Dem Gast im Rollstuhl, Geschäftsmann aus München, der das Behindertenzimmer aus dem Hotelführer gebucht hat, ist beim ersten Blick klar, daß er hier nicht zurechtkommen würde. Die Garderobe im Wandschrank des Zimmers ist in Normalhöhe angelegt, auch die Lichtschalter sind zu hoch. Die Badezimmertür ist zu schmal.

Das Rollstuhlemblem im Hotelführer, häufig ein Imagesymbol, garantiert nur in wenigen Fällen eine wirklich behindertengerechte Ausstattung. Viele Hotels verfügen lediglich über einige behindertengerechte Einrichtungen, die zumindest einem alleinreisenden Rollstuhlfahrer nicht genügen. Fehlende Information und manchmal auch das Desinteresse der Hotelangestellten sind weitere häufig beklagte Mängel. Dabei ist die zu schmale Badezimmertür nicht das einzige Hindernis, das reisende Rollstuhlfahrer überwinden müssen; auch die Haltegriffe neben dem WC sind nicht optimal.

Badezimmer in Hotels sind für Rollstuhlfahrer seit jeher ein neuralgischer Punkt. Fehlen hier wichtige Details, ist der behinderte Gast hilflos. Viel Platz muß es geben, um die Manövrierfähigkeit mit dem Rollstuhl zu gewährleisten (mindestens 1,40 m x 1,40 m). Wichtig sind daneben ein schwellenloser Zugang, eine Umsteigemöglichkeit vom Zimmerrollstuhl auf einen Duschrollstuhl, eine stufenlose Dusche, ein unterfahrbarer Waschtisch, Haltegriffe neben WC und Waschbecken. Und eine Rufanlage, am besten einfache Zugkontakte mit langen Schnüren, damit die Gäste sich im Fall des Falles bemerkbar machen können.

Die erste Adresse von gut ausgestatteten behindertengerechten Hotels ist das Mondial am Kurfürstendamm in Berlin. Eigentümer und Bauherr ist der Reichsbund der Kriegsopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen. Von den insgesamt 75 Zimmern sind 22 auf hohem Niveau behindertengerecht eingerichtet.

Probleme sehen Hoteldirektoren und Planungsstrategen von Hotelneubauten vielfach bei der Vermittelbarkeit dieser Zimmer an nichtbehinderte Gäste. Denen behage die klinisch kühle Atmosphäre in den baulich leicht veränderten Zimmern nicht. Damit werden Behindertenzimmer auch zum Rentabilitätsproblem. Gerhard Hayer, Direktor des Mondial, vermutet hier vor allem ein „ein psychologisches Problem“.

Michael Krettke, beim Steigenberger-Konzern Abteilungsleiter für Hotelentwicklung, sieht dabei Probleme: „Der Verkauf eines Behindertenzimmers scheitert oft an der Sterilität, den speziellen Apparaturen im Badezimmer.“ Schwierigkeiten dieser Art kann Gabriele Euler, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Hyatt-Kette, nicht nachvollziehen, denn das Interieur der Behinderten-Badezimmer werde in den Hyatt-Häusern auch von nichtbehinderten Gästen als gelungen angesehen. Allerdings muß sie einräumen, daß diese Zimmer nur selten belegt sind.

Große internationale Hotelketten im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich wie Hilton, Kempinski, Steigenberger oder Hyatt betonen, daß ihre Häuser mit wenigen Ausnahmen über Behindertenzimmer und entsprechende Einrichtungen verfügen. Ein bis zwei Prozent Behindertenzimmer, gemessen an der Gesamtzimmerzahl, beträgt die Quote bei Hotelneubauten von Ketten wie Arabella und Dorint.

Im Zwei- und Drei-Sterne-Segment ist die französische Novotel- Kette vorbildlich. Ein Angebot an behindertengerechten Zimmern und Einrichtungen ist ein Muß. Die Konzernleitung betont, daß kein neues Haus gebaut werde, ohne entsprechende Einrichtungen mit einzuplanen.

Gute Erfahrungen auch hinsichtlich der Auslastung ihrer insgesamt vier Behindertenzimmer hat ein privates Hotel in Kiel gemacht. Hotelier Rainer Birke, der schon seit 1985 diesen Service anbietet, begründet sein Engagement auch mit persönlichen Erfahrungen: „Zum einen mußten wir häufig Zimmeranfragen von behinderten Gästen absagen, zum anderen ist mein Vater nach einem Schlaganfall selber an den Rollstuhl gefesselt.“

Adressen und Literatur:

Handicapped-Reisen, Hotel- und Reiseratgeber für Behinderte,

Verlag FMG GmbH,

Postfach 1547, 5300 Bonn 1,

Tel.: 0228/616133

Reisen und Informationsmaterial für den behinderten Menschen (Hotels, Pensionen, Ferienhäuser), Piduch-Verlag, Am Hang 21,

7550 Rastatt, Tel.: 07222/53514.

Hotelführer für Rollstuhlfahrer „Hotel-Info 90“, Verlag Günter Rau, Postfach 1154, Holtenauer Straße 34, 2340 Kappeln.

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V. (Dehoga), Kronprinzenstraße 46, 5300 Bonn,

Tel.: 0228/820080

Foto: M.Zastrow/Voller Ernst

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