piwik no script img

„Sonst rutscht der Osten weg“

Ost-Ministerpräsidenten fordern acht Milliarden Mark von der Bundesregierung/ Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe: „Investitionsmittel unabdingbar“  ■ Aus Berlin Rüdiger Soldt

Der sogenannte Solidarpakt steht auf immer wackligeren Füssen: Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) fordern von der Bundesregierung für den Aufbau der Wirtschaft in Ostdeutschland acht Milliarden Mark aus dem Nachtragshaushalt des Bundes. Diese Summe soll im Rahmen des Solidarpaktes den ostdeutschen Bundesländern für investive Ausgaben zugesichert werden. Das wurde gestern nach einer Arbeitstagung der ostdeutschen Ministerpräsidenten, die sich auf ein Kanzlergespräch zum Solidarpakt am Mittwoch vorbereiten wollten, in Berlin bekannt. Die Bundesregierung ist bisher nur bereit, 1,5 Milliarden zu zahlen.

Die geforderten acht Milliarden sollen, erklärte der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), ausschließlich für Investitionen verwandt werden. „Wir haben versucht, Zurückhaltung zu üben, aber acht Milliarden sind unabdingbar.“ Eberhard Diepgen (CDU) unterstützte seinen Kollegen und sagte: „Wenn wir diese Summe nicht bekommen, rutscht uns der Osten weg.“

Das föderale Konsolidierungskonzept der Bundesregierung müsse erst noch zu einem Solidarpakt werden, erklärte Stolpe. Nur so könne der „Wirtschaftsstandort Deutschland“ gesichert werden. Erforderlich sei, so Stolpe, eine Gesamtstrategie, um den Industriestandort Deutschland zu sichern. Die acht Milliarden seien nicht für eine „ostdeutsche Spezialaufgabe“. Um die Nöte in den neuen Bundesländern abzuwenden, so Stolpe weiter, seien Investitionsmittel unabdingbar. Da Steuererhöhungen nur nur das letzte Mittel sein könnten, müsse unter anderem in der Bürokratie noch weiter eingespart werden, deutete Stolpe an.

Diepgen und Stolpe erklärten übereinstimmend, daß Sparüberlegungen bei den Beratungen der Ministerpräsidenten im Vordergrund gestanden hätten. Nach Diepgens Angaben setzt sich der geforderte Milliardenbetrag wie folgt zusammen: 1,5 Milliarden für die „Kommunale Investitionspauschale“, 3,7 Milliarden für den Fond zur „Deutschen Einheit“, 1,5 Milliarden für das kommunale Investitionsprogramm und 2,5 Milliarden für die Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsstruktur. Diepgen betonte, daß das vorliegende Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung nur ein Teil des Solidarpaktes sein könne. Wenn die Länder ihre Haushalte um nicht mehr als drei Prozent steigern würden, sei die Forderung realistisch.

Die acht Milliarden sind nach Ansicht von Stolpe und Diepgen eine „Mindestausstattung“. Im vergangenen Jahr hatten die Ost- Ministerpräsidenten noch 12 Milliarden gefordert. Zur Frage, ob die ostdeutschen Ministerpräsidenten gegen den Gesetzentwurf zum Solidarpakt geschlossen ihr Veto im Bundesrat einlegen würden, falls die Bundesregierung auch diese Forderung ablehnt, sagte Ministerpräsident Stolpe: „Das müssen wir heute nicht erörtern.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen