Glückwunsch: Mach's noch einmal, Eugen!

■ Bausenator Eugen Wagner sitzt erst 10 Jahre auf der Senatsbank/Die taz meint: Das ist noch lange nicht genug!

Wagnerdämmerung? Daß wir nicht lachen! Auch wenn der Spiegel dieser Tage nach Barschel, Stolpe und Lafontaine unseren Beton-Eugen mit seiner Häme adelte, Hamburgs Bau- und Verkehrssenator Eugen Wagner (50) hat gerade erst angefangen. Glückwunsch, Herr Senator, zum Zehnjährigen! Sie sind ein Hoffnungszeichen in Zeiten, wo Brandt-Enkel schon wie Tattergreise daherkommen und sich die Politverdrossenheit mit häßlichen Falten in die Züge der Mächtigen meißelt.

Eugen Wagner macht Politik Spaß. So, wie er redet, regiert er: zupackend, einfach, oft daneben, immer dabei. Ein Könner alter Schule. Politik heißt, Macht organisieren, Freunde belohnen, Feinde schwächen, in den Medien Profil haben und natürlich ein ganz, ganz dickes Fell. Wagner verfügt dabei über ein äußerst wirkungsvolles Energiesystem: Angriffe münzt er sofort um in Stärkung des eigenen Egos. Bösartige Anmache wendet er mit gewitztem Humor und dröhnender Lache in ein „Guckt mal, wie stark ich bin, daß ihr mir so kommen müßt!“ Mit seiner Verläßlichkeit bei festen Zusagen und jener entwaffnenden Freundlichkeit, die er freigebig spendet, wenn seine GegnerIn mal wieder zappelnd auf dem Rücken liegt, hat er sich ein eigenes Charme-Kostüm gestrickt, das ihm auch bei manchem Gegner Respekt verschafft.

Bauernschlau nutzt Wagner dabei sein Anti-Intellektuellen-Image. Für viele der hochschulverseuchten Klugschwätzer in Senat und Partei ist Eugen der letzte echte Prolet, gelebte Basis ganz oben. So hält sich hartnäckig das Gerücht, mit Eugen Wagner im Senat kämen die Reps nie über fünf Prozent, weil der als einziger das Ohr am Puls des Volkes habe. Das ist zwar übertrieben — aber der Mann weiß schon genau, wann und warum man mal die Mieten unten läßt.

Politische Inhalte? Gestaltung in einer der aufregendsten Umbruchzeiten unseres Jahrtausends? Kon-

1zepte? Nebensache! Wenn böse Zungen in der eigenen Partei lästern, er sitze auf Hamburgs höchstbezahlter ABM-Stelle, dann sind es bestimmt vergrätzte Akademiker, die nicht verwinden können, daß in einer Zeit fließbandmäßiger Produktion von Hochschulabsolventen einer wie Eugen Wagner oben schwimmt und oben bleibt. Diese Miesepeter haben nicht begriffen, worauf es in der Politik ankommt. Zugegeben — Eugen Wagner hat längst nicht die geniale geistige Hinterfotzigkeit eines Franz Josef Strauß oder die rheinländische Sentimentalität des Pfälzer Saumagens Kohl, aber doch ihre Statur, ihr Sitzfleisch und ihren Instinkt. Das Geheimnis erfolgreicher

1Politik ist es, an der Macht zu bleiben. Alles andere ist total egal.

Natürlich, wer nach bleibenden und bemerkenswerten Spuren eines Jahrzehnts Eugen Wagner sucht, wird fast nichts finden. Ob Müll, Stadtentwicklung, Wohnungsbau, Hafenstraße oder Verkehr: Eugen Wagners Gestaltungskraft erreichte nur selten das Niveau des kommunalpolitischen Mittelmaßes der Parteigenossen im ähnlich gestrickten Ruhrgebiet. Aber, mal ehrlich: Was hat denn, bitteschön, der arrogante und selbstverliebte Großbürger Klaus von Dohnanyi in Hamburg bewirkt? Was andere Senatsmitglieder?! Da hält doch Eugen locker jedem Leistungsvergleich stand!

1Nein, ein Hamburger SPD-Senat ohne Eugen Wagner ist für uns nicht vorstellbar. Der Mann ist ein politisches Biotop, ein biodynamisches Gewächs, ein Sinnbild deutscher Politik des ausgehenden 20.Jahrhunderts. Hamburgs WählerInnen, die Sozialdemokratie und der SPD-Regierungsapparat wissen schon, warum sie sich und uns diesen Politiker gönnen, von dem wir nicht fürchten müssen, er werde eines Tages als Elder statesman oder intellektueller Talk-Show-Kasper enden.

Wo soviel Licht ist, kann ein bißchen Schatten nicht ausbleiben: In Eugen Wagners engerer Umgebung sitzen viele Menschen mit gebrochenem Rückgrat. Menschen

1mit Skrupeln und fachlichem Engagement haben es schwer mit und unter Wagner. Viele von ihnen, darunter engagierte und kundige Verwaltungsleute, haben sich nach zehn Jahren Eugen Wagner in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Sollte eines Tages, vielleicht in zehn Jahren, Eugen Wagner einmal doch abtreten, wird seine NachfolgerIn viel Augenmerk auf die innere Sanierung seiner Behörde lenken müssen.

Doch wo gehobelt wird, da fallen Späne. Der Bau ist eben nichts für zarte Gemüter. Ein Prosit der Beständigkeit! Die taz meint zum Zehnten des Senatsdienstältesten: Mach's noch einmal, Eugen! Carl Valerie