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„Seehofer-Bauch“ als riesige Pillendose

■ Apotheken melden Umsatzrückgang/ Angeblich leiden Patienten unter neuem Gesetz/ Ärzte: Versorgung gesichert

Berlin. Der Präsident der Berliner Apothekerkammer schlug vergangene Woche Alarm: Die Ärzte und Ärztinnen an der Spree, so warnte Klaus Stürzbecher, verschrieben seit dem 1. Januar aus „überzogener Spar-Angst“ weniger und billigere Präparate, so daß Apotheken Einbußen bis zu einem Viertel ihres Umsatzes hinnehmen müßten. Leidtragende der Verunsicherung, die das seit Jahresbeginn geltende Gesundheitsstruktur-Gesetz (GSG) ins Land getragen habe, seien die Patienten.

Für Befürchtungen von Patienten, sie würden pharmazeutisch nicht mehr ausreichend versorgt, besteht aber nach Meinung von Vertretern der Berliner Ärzte und der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) keinerlei Anlaß. „Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, daß seit dem 1. Januar die medikamentöse Behandlung nicht ausreichend durchgeführt wird“, versichert etwa der Sprecher der Ärztekammer, Roland Bersdorf.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung und der AOK liegen noch keine Zahlen über Verschreibungen im Januar vor. „Übertriebene Sparsamkeit“ der Ärzte, wie sie Stürzbecher ausgemacht hatte, gibt es nach Ansicht von AOK- Sprecher Friedrich Abraham nicht. Der Umsatzrückgang der Apotheken hat für ihn vor allem einen Grund: chronisch Kranke, die auf Medikamente angewiesen sind, hätten sich im Dezember noch einmal mit Großpackungen von Tabletten eingedeckt, um die neue Zuzahlungspflicht (beim Medikamentenpreis von 30 Mark 3 Mark, bis 50 Mark 5 Mark und darüber 7 Mark) zu umgehen. Insider nennen das Umsatzplus Ende vergangenen Jahres den „Seehofer- Bauch“.

Das Gesetz verpflichtet die Ärzte dazu, durchschnittlich nicht mehr zu verschreiben als im Jahr 1991. Andernfalls müssen die „Vertragsärzte“ kollektiv einen Abschlag in den Abrechnungen mit der Kasse hinnehmen. Vor allem solche Medikamente sollen nicht mehr gezahlt werden, deren Wirkung nicht gesichert ist oder auch durch ein preiswerteres Medikament erzielt werden kann. „Etwas vorsichtiger gehandhabt“, so Wilfried Nax von der Kassenärztlichen Vereinigung, würden vor allem Verschreibungen von durchblutungsfördernden Mitteln.

Kranke, die nicht auf ihre gewohnten Pillenpackungen verzichten wollen, lassen sich nun offenbar häufig statt eines Kassenrezeptes vom Arzt ein Privatrezept ausstellen. Ob die Kasse das Medikament zahlt, wird im Einzelfall entschieden. Für verunsicherte Patienten und Ärzte hat die AOK ein Beratungstelefon eingerichtet (Tel. 3403310 und -347). mon

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