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„Hamas-Drahtzieher“ in den USA?

Israelische Vorwärtsverteidigung gegen amerikanischen Druck in der Deportiertenfrage: „Sicherheitsdienste“ bezichtigen USA, Hamas-Hauptquartier zu dulden  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelische Regierung, die wegen der Deportationen von über vierhundert Palästinensern unter zunehmenden Druck der USA geraten ist, holt nun zu einer diplomatischen Gegenoffensive ganz neuer Art aus. Sie beschuldigte die USA bereits kurz nach der international kritisierten Deportation angeblicher „Hamas- Führer“ in den Südlibanon, ein Hamas-Hauptquartier auf ihrem Hoheitsgebiet zu dulden. Israelische Sprecher gaben nun die Verhaftung zweier amerikanischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft bekannt, die angeblich maßgeblich am Wiederaufbau der zerstörten Hamas-Infrastruktur beteiligt gewesen sein sollen. Die Regierung beabsichtige nun, die „internationale Infrastruktur der Hamas-Bewegung“ zu zerstören. Das US-Konsulat in Ostjerusalem und die US-Botschaft in Tel Aviv wurden bereits letzten Donnerstag über die Verhaftungen informiert. US-Botschafter William Harrop soll in dieser Angelegenheit am Sonntag zu einer dringenden Aussprache mit Ministerpräsident Rabin nach Jerusalem gerufen worden sein. Zu diesem Zweck wurde mit dramatischer Geste eine Kabinettssitzung unterbrochen. Gestern wurde noch ein weiterer Palästinenser mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, Taufik Havajah, festgenommen. Mindestens 40 Palästinenser mit angeblich amerikanisch-palästinensischen Hamas- Kontakten sollen außerdem verhaftet worden sein.

Die beiden letzte Woche verhafteten Männer, der 40jährige Mohammed Saleh und der 37jährige Mohammed Jarad, sind Geschäftsleute aus Chicago, die von einem kurzen Besuch in den besetzten Gebieten zurückkamen. Sie werden von den israelischen Behörden beschuldigt, führende Hamas-Aktivisten in den USA zu sein und in dieser Eigenschaft „Hunderttausende von Dollar“ an Hamas-Leute in den besetzten Gebieten verteilt zu haben, um die Organisation neu aufzubauen. Angeblich wurden „weitere Summen und Pläne für Terrorangriffe“ bei den Verhafteten gefunden.

Nach Angaben des israelischen Geheimdienstes Shin Bet soll die Untersuchung ergeben haben, daß das „Terrornetz“ der Hamas in den besetzten Gebieten durch internationale Finanztransaktionen vor allem aus den USA unterstützt wird. Unter den Leuten, die angeblich auf diese Weise finanziert wurden, sollen sich mehrere der im Dezember Deportierten befinden. In diesem Zusammenhang wurde die Summe von etwa 400.000 Dollar genannt. Bei einer Durchsuchung der Wohnungen der Verhafteten sollen genaue Angaben über deren Hamas-Mitgliedschaft und Details über bewaffnete Mitglieder der Organisation gefunden worden sein; aufgrund dieses Materials steht nun die Verhaftung weiterer Palästinenser bevor.

Salah und Jarad leben seit zwanzig Jahren in den USA; Salah ist Autohändler in Chicago, Jarad ist Bäcker von Beruf. Beide sollen nach ihrer Verhaftung gestanden haben, daß sie nach Israel und in die besetzten Gebiete kamen, um die nach der Deportation dezimierte Hamas-Führung neu aufzubauen und vor allem die bewaffneten Hamas-Gruppen zu reorganisieren. All dies aufgrund der Befehle, die sie von zentralen Hamas- Kommandostellen in England und in den USA erhalten hätten.

Sie sollen auch versucht haben, Kontakte mit der islamischen Bewegung der israelischen Araber aufzunehmen, um „deren Einfluß auf israelische Medien für Propaganda zugunsten der Deportierten und gegen die Regierung auszunutzen“. Angeblich sollte die islamische Bewegung in Israel auch als Mittler für ausländische Gelder an die Hamas-Terroristen in den besetzten Gebieten dienen.

Der Führer der israelischen Islamisten, Scheich Abdallah Darwisch, hat diese Anschuldigungen inzwischen scharf zurückgewiesen und erklärt, daß die islamische Bewegung in Israel gegen alle Gewalttätigkeit, gegen die Besatzung und für eine friedliche Lösung des israelisch-arabischen Konflikts aktiv sei. Scheich Darwisch bezichtigt die israelischen Sicherheits- und Regierungsbehörden „wilder und falscher Anschuldigungen, um die Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern gegen die Deportation zu torpedieren“.

Die Gelder für die Hamas-Finanzierung in den besetzten Gebieten sollen aus dem Iran, den USA und Großbritannien stammen, heißt es in den Verlautbarungen der israelischen Behörden, die nun wortreich Klage darüber führen, daß außerhalb des Nahen Ostens ausgerechnet die USA und England an der Spitze der Staaten stünden, von denen aus Hamas seine „internationale Organisation und Tätigkeit“ dirigiere und finanziere. Diagramme, die wahrscheinlich von den Sicherheitsbehörden zusammengestellt und gestern veröffentlicht wurden, stellen die USA und Großbritannien gar an die Weltspitze der Staaten, von denen aus Hamas nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in anderen arabischen Staaten gesteuert und finanziert wird. Da komme noch einer und kritisiere die israelische Besatzung, die Hamas-Bewegung sei „hausgemacht“ und die Deportation ihrer Mitglieder illegal.

Wie gesagt, dies ist das zweite Mal in den letzten sechs Wochen, daß Israel öffentlich mit Fingern auf Amerika zeigt, als eigentliches Kommandozentrum jener Bewegung, die Israel bedrohe und darum zu liquidieren sei. Allem Anschein nach handelt es sich um eine massive Propagandakampagne, die Teil der Bemühungen der Regierung ist, weitere Schritte des UN-Sicherheitsrates gegen Israel zu blockieren. Sanktionen sollen jetzt auch vermieden werden, indem Israel „beweist“, wie gerechtfertigt die Deportationen von Hamas-Aktivisten war. Bereits am Tag der Bekanntmachung des Urteils des israelischen Obersten Gerichts soll Ministerpräsident Rabin dem versammelten Diplomatischen Corps sinngemäß erklärt haben, mit den bislang gesammelten Informationen über die internationalen Hamas-Verbindungen könne man in verschiedenen Ländern viel Aufsehen erregen, sobald man sich entschlösse, sie zu veröffentlichen.

Angeblich bereitet die israelische Regierung zusammen mit den USA ein package deal vor, aufgrund dessen keine operativen Schritte des Sicherheitsrats bevorstehen, wenn Israel wegen Revisionsverfahren eine gewisse Anzahl von Deportierten zurückkehren läßt, ohne daß die Deportierten selbst Berufung einlegen, und die Deportationsfrist für andere abkürzt. Zugleich soll eine Art internationaler Front gegen Hamas ins Leben gerufen werden: Statt Israel für seine „Pioniertaten“ gegen Hamas zu bestrafen, sollen befreundete Staaten sich am Kampf gegen die Islamisten in den besetzten Gebieten beteiligen – das ist die Botschaft.

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