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Die Besoffenheit der Bilder

Bei der Debatte um die historische Wiederherstellung des Zentrums rangiert die Lust auf das Stadtschloß vor den Zielen der Stadtplanung  ■ Von Rolf R. Lautenschläger

Wie könnte die historische Mitte Berlins – der Alexanderplatz, die Spreeinsel und die Straße Unter den Linden – in zwanzig Jahren aussehen? Wer wird dort wohnen und arbeiten, und welche Gebäude bilden die neuen städtebaulichen Schwerpunkte in einem Zentrum, das heute noch von Bruchstücken, Fragmenten, überdimensionalen Freiräumen und ungeliebten Palazzi geprägt ist? Walter Jens, Präsident der Akademie der Künste, versuchte eine vage Antwort: „Die Mitte Berlins ist eine Stätte für Flaneure, sie ist kein Ort für Büroangestellte. Die Mitte muß bürgernah bleiben und darf keine einschüchternden Monumente beherbergen.“

Die Akademie, so Jens auf der Veranstaltung im Hanseatenweg zum Thema „Nicht nur Schlösser und Paläste – Zum Umgang mit der historischen Mitte“, sei „getrieben von der Sorge um die zukünftige Qualität und Bedeutung des Ortes“. Die planlosen Begehrlichkeiten des Bundes ließen „kein durchdachtes neues und modernes Kunstwerk Stadt“ erwarten. Eher verzettle man sich in Grabenkämpfen um den Abriß des Palastes der Republik und den Aufbau von Attrappen.

Die Ansprüche des Bundes in der historischen Mitte, erinnerte der Architekt Friedrich Spengelin, sind bekannt: Vier Ministerien mit rund 500.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche werden sich wie Saurier in der Stadtmitte niederlassen. Zugleich droht der Abriß zahlreicher Gebäude: der Palast, das Staatsratsgebäude, die alte Reichsbank oder das Haus der Ministerien stehen auf der Liste. Negative Konsequenzen für die Stadtstruktur entstünden dann, wenn „unattraktive Verwaltungsarchitekturen“ und Sicherheitszonen statt eines „geistvollen und offenen Konzepts“ die Oberhand gewinnen sollten. Die Straße Unter den Linden müsse für die Bürger freigehalten werden.

Der Palast der Republik sei wiederzueröffnen, damit wieder Leben und „nicht Staat“ in die Mitte einziehen könnte. Spengelin kritisierte die Eile und Hast, mit der die politischen Planer über die künftige Nutzung des Bereichs und den Abriß des asbestverseuchten Palastes diskutierten.

Die Sorge Spengelins im Umgang mit dem Zentrum Berlins war so unberechtigt nicht, verstellte doch das „Schloß-Für-und-Wider“ auch in der Akademie den notwendigen Blick in die Zukunft der Stadtmitte. Das manische Interesse am Stadtschloß, sagte der Stuttgarter Hochschullehrer Klaus Humpert, verhindere, daß über die Möglichkeiten des Weiterbaus nachgedacht wird. Eine Rekonstruktion des Schlosses ist nach Ansicht des Architekten Goerd Peschken schon aus ästhetischen Gründen wichtig, bildet doch für ihn der Bau einen „unverzichtbaren“ Schnittpunkt im Stadtraum. Peschken, der schon im vergangenen Jahr ein Konzept zur „Restitution von Stadtraum und Schloß“ vorgelegt hatte, teilte damit die Meinung von Wilhelm von Boddien, der sich vehement für die Rekonstruktion des Schlüter-Baus einsetzt.

Von Boddien geht es dabei um die „Wiederherstellung des ursprünglichen Stadtbildes“ am Lustgarten. Das Schloß stelle darin den „entscheidenden Eckstein“ dar. Zugleich müsse die „Sehnsucht“ der Berliner nach ihrem Schloß befriedigt werden, sagte von Boddien, der im Sommer mit einer Schloß-Attrappe im Maßstab 1:1 für Furore sorgen will.

Kritik mußten sich Peschken und von Boddien von der Stadtplanerin Simone Hain gefallen lassen. „Aus dem Loch in der Mitte“ dürfe nicht Berlins zukünftige Identität „in der preußischen Schicht“ ausgegraben werden. Vielmehr müßte nach Lösungen gesucht werden, wie mit dem Palast und anderen Bauten „das Loch“ gestopft werden könnte. Eine „Schloß-Kopie“, mahnte der Journalist Wolfgang Pehnt, unterstreiche nur mehr die „Beliebigkeit in der Wahl und Fiktionalität im Umgang mit der Geschichte. „Die Besoffenheit der Bilder“ habe den Städtebau und die Nutzung gänzlich vergessen.

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