: Knast für skrupellosen Mietshaus-Besitzer
■ 50jähriger wollte Mieter vertreiben und manipulierte Gasleitung/ Explosion als Höhepunkt zahlreicher Schikanen
Moabit. „Es gibt kein Selbsthilferecht eines Hauseigentümers gegen ihm unliebsame Mieter.“ Mit deutlichen Worten und einer ebenso deutlichen Strafe von fünf Jahren und neun Monaten zog die 11. Strafkammer des Landgerichts gestern einen Schlußstrich im Verfahren gegen einen 50jährigen Hausbesitzer aus Prenzlauer Berg. Er hatte durch eine Manipulation an der Gasleitung versuchte, seine Mieter aus dem Haus zu vertreiben. Neben versuchter Herbeiführung einer Gasexplosion wurde der Angeklagte wegen Nötigung verurteilt.
Der Prozeß gegen den Hausbesitzer und Elektromechaniker Ralf H. hatte sich vor dem Landgericht sechs Monate hingezogen (die taz berichtete mehrfach). Die lange und umfangreiche Beweisaufnahme beruhte im wesentlichen auf Indizien, weil der Angeklagte die Aussage verweigert hatte. Nach Ansicht der Vorsitzenden Richterin Beyer hatten sich die Indizien jedoch nahtlos „zu einer Kette zusammengefügt“. Für die Strafkammer stand somit fest, „daß der Angeklagte der Täter war“.
Ralf H. war kurz nach der Wende in das Haus in der Greifenhagener Straße 44 zurückgekehrt, das ihm und seinem Bruder Willi gehörte. Die Mieter, die bis dahin keinen Grund zum Klagen hatten, mußten nach Feststellung des Gerichts fortan unter erheblichen Beeinträchtigungen leiden. Das habe schließlich so weit geführt, daß diese den Mieterbund und einen Rechtsanwalt eingeschaltet hätten. Dauernd habe es Ärger gegeben: Der Müll paßte nicht in die Container, die Rohrleitungen waren aus unerklärlichen Gründen verstopft, die Dachluken standen bei Wind und Wetter offen, das Treppenhauslicht war immer wieder defekt, die Hausbriefkästen wurden zerschlagen. Daß der Angeklagte dafür verantwortlich war, konnte das Gericht gestern allerdings nicht beweisen. Mieter hätten Ralf H. einzig beim Herausreißen eines Rohres beobachtet und ihn nach starkem Gepolter mit einem Hammer in der Hand bei den demolierten Briefkästen gesehen, so Richterin Beyer.
Am 22. Februar 1992 hatten die Schikanen ihren Höhepunkt erreicht: Gegen 7 Uhr morgens explodierte in der Wohnung der 43jährigen Mieterin Gudrun M. der Gaszähler. Nach Überzeugung des Gerichts hatte Ralf H. in der Nacht zuvor im Keller die Hauptgasleitung angebohrt und mit einem selbstkonstruierten Ventil ein gasförmiges Gemisch eingeleitet. Durch den Überdruck im Rohr sei der Zähler in die Luft geflogen. Wichtiges, wenn nicht sogar wichtigstes Beweismittel war ein in der Werkstatt des Angeklagten gefundener Nietenstift, der nach Auffassung des Gerichts das Gegenstück des in die Gasleitung gedrehten Anschlußstückes war. Da keiner der Mieter Zugang zu dem Keller gehabt habe, so die Richterin, kam für „das Bohren nur der Angeklagte in Frage“. Die Beweise hätten für einen Schuldspruch vollkommen ausgereicht, auch wenn die Polizei bei den Ermittlungen sehr „geschlampt“ habe. Das Strafmaß bewege sich im mittleren Rahmen.
Laut Urteilsbegründung hatte das Gericht dem von der Bundesrepublik freigekauften DDR- Häftling seine schweren Schicksalsschläge zugute gehalten. Er sei „hart gegen sich selbst und gegen andere“ und versuche nicht, sich besser darzustellen, als er sei, spielte die Richterin auf Äußerungen des Angeklagten über seine Mieter an. Jener hatte seinen Mietern vorgeworfen, sie würden „lieber ihr Geld versaufen als Miete bezahlen“. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre und zehn Monate gefordert, die Verteidigung Freispruch. Plutonia Plarre
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