: Clinton-Administration im Abseits
■ Von den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates zögern lediglich die USA, den Genfer Bosnien-Plan zu unterstützen/ Kinkel-Besuch in Washington
New York (taz) – „Warren Christopher hat unseren Plan einfach nicht verstanden.“ Recht ungeschminkt äußerte sich am Mittwoch abend in New York Herbert Okun, der Stellvertreter von Cyrus Vance, über dessen ehemaligen Vize und heutigen Nachfolger als US-Außenminister. Vance und David Owen, die beiden Vorsitzenden der Genfer Verhandlungen über Bosnien, seien „erstaunt über das immer noch hohe Maß an Ignoranz“, auf das sie in den letzten Tagen in der Clinton-Administration gestoßen seien. Der Genfer Friedensplan, den am Wochenende nur der Kroatenführer Mate Boban vollständig akzeptiert hatte, regelt die zukünftige Verfassung Bosniens, sieht die Aufteilung des Landes in zehn Provinzen vor und enthält die Bedingungen für einen Waffenstillstand.
Auf mehr Unterstützung für ihren Plan stießen Vance und Owen bei ihren Konsultationen mit den 15 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates, der sich frühestens heute auf einer informellen Plenumssitzung mit dem Thema Bosnien-Herzegowina beschäftigen wird. Bei einem Treffen mit den fünf ständigen Mitgliedern stellten sich am Mittwoch nicht nur Frankreich und Großbritannien, sondern, zur „Überraschung“ der beiden Unterhändler, neben Rußland auch China „hundertprozentig“ hinter das Konzept. Weitgehende Zustimmung erfuhren Vance und Owen auch in der Sitzung mit den zehn nichtständigen Mitgliedern. Einzig die islamischen Staaten im Sicherheitsrat – mit deren Organisation Vance und Owen sich noch separat treffen – äußerten schwere Bedenken. Damit sind die USA in dem UNO-Gremium und unter den fünf ständigen Mitgliedern derzeit isoliert. Owen warf der Clinton-Regierung in mehreren Interviews „Blockadepolitik“ vor.
Offensichtlich auch unter dem Eindruck dieser Kritik ließ Präsident Clinton durch seinen Sprecher George Stephanopoulos mitteilen, „die neue Bosnien-Politik der Regierung“ werde nun „relativ bald verkündet“. Hinter den New Yorker Kulissen wird nicht ausgeschlossen, daß die Clinton-Administration sich demnächst hinter den Vance/Owen-Plan stellt, wenn die darin vorgesehenen Provinzgrenzen an einigen Stellen zugunsten der bosnischen Muslime verändert werden. Doch dies bedarf der Zustimmung von Serbenführer Radovan Karadžić. Doch der ließ bei seiner Ankunft in der Nacht zum Donnerstag keinerlei Kompromißbereitschaft erkennen.
Für die Unterstützung des Genfer Friedensplans wollte auch Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) bei seinem ersten Zusammentreffen mit der neuen US-Regierung in Washington werben: Zwar sehe er die Schwächen dieses Plans genau wie die USA, aber er werde Clinton auch fragen, „welche Alternative sich anbietet, wenn wir diesen letzten Versuch nicht wenigstens zu Ende bringen“. Gleichzeitig räumte der Minister aber auch ein, daß Europa den Krieg in Exjugoslawien nicht in den Griff bekommen habe. Ein „Versagen“ sei dies jedoch nicht.
Falls der Genfer Plan im UN-Sicherheitsrat keine Unterstützung findet, müsse, so Kinkel, über eine „totale Isolierung“ Serbiens entschieden werden. Einer Lockerung des Waffenembargos gegenüber Bosnien, über die die USA nachdenken, stünden die EG-Außenminister ablehnend gegenüber. Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen