: Streit um Störfall im AKW Krümmel dauert an
■ Leukämie-Häufung in den Elbmarschen weiterhin unklar / Strahlenschutzbeauftragte bei Fahrprüfung durchgefallen
/ Strahlenschutzbeauftragte bei Fahrprüfung durchgefallen
Der Streit um die Ursache der Leukämie in der Elbmarsch ging am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion weiter. Die Vorkämpfer der gegnerischen Parteien traten in der Lüneburger Stadtsparkasse vor rund dreihundert ZuhörerInnen. Horst Jung, Strahlenbiologe vom Hamburger Universitätskrankenhaus, versuchte wieder mit allen Mitteln davon zu überzeugen, daß Radioaktivität auf keinen Fall etwas mit den Blutkrebserkrankungen zu tun haben könnte.
Seine Kontrahentin, die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake, vertrat weiterhin allen Anfechtungen zum Trotz, daß Elbmarschbewohner einer erhöhten Strahlendosis ausgesetzt waren, und vermutet als Auslöser der Leukämie einen unerkannten oder verheimlichten Störfall im AKW Krümmel. In dessen Umgebung ist es in den Jahren von 1989 bis 1991 zu einer Häufung von Leukämie-Erkrankungen gekommen. Fünf Kinder und ein Jugendlicher erkrankten, drei von ihnen sind gestorben.
Schmitz-Feuerhake hat Chromosomenveränderungen im Blut von Elbmarschbewohnern gefunden, die „darauf hindeuten, daß sie eine erhebliche Strahlendosis abbekommen haben“. Es müsse eine ungenehmigte Abgabe von Radioaktivität gegeben haben, deren Dosis hundertmal höher als erlaubt war. Die Bremer Wissenschaftlerin nannte sogar ein konkretes Datum, den 12.September 1986. An diesem Tag seien in der Umgebung des AKW Krümmel 500 Becquerel pro Kubikmeter Luft gemessen worden.
Die Strahlenschutzbeauftragte des AKW, Ulrike Welte, hatte eine Erklärung parat. „Durch eine ungünstige Inversionswetterlage haben sich radioaktive Stoffe natürlichen Ursprungs in den bodennahen Schichten aufkonzentriert.“ Weder 1986 noch davor und danach habe es einen Störfall mit hoher Radioaktivitätsfreisetzung gegeben.
Rückendeckung bekam die Vertreterin des AKW von Horst Jung: „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß die Leukämie-Häufung in der Elbmarsch auf Strahleneinwirkung zurückzuführen ist“, und es gebe auch keine erhöhte Rate von Chromosomenveränderungen in der Elbmarsch, behauptete der Hamburger Strahlenbiologe am Donnerstag zum wiederholten Male.
Ebenfalls nicht zum ersten Mal forderte Eugen Prinz von der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, das AKW Krümmel müsse abgeschaltet und unabhän-
1gige Experten vom Ökoinstitut zur Prüfung von Schwachstellen und Daten hereingelassen werden. „Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann sagen Sie heute zu, daß Sie die Türen aufmachen, sonst be-
1greift das kein Mensch in der Elbmarsch“, forderte Waltraut Viertel von der Bürgerinitiative Tespe. Ulrike Welte wollte sich nicht klar dazu äußern, bis Thomas Müller von „Robin Wood“ ihr vorschlug,
1es wie bei der Fahrprüfung zu machen: „Sie antworten mit ja oder nein.“ Da kam von der Krümmel- Beauftragten die Antwort auf die „brutale“ Frage: „Nein“. Durchgefallen. Vera Stadie
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