: Berliner lesen immer weniger Zeitung
■ Verkaufte Auflage aller Berliner Zeitungen ist im letzten Jahr gesunken / Selbst das Flagschiff des Springer-Konzerns, die "Bild-Zeitung", rutschte ab / Auch die Abonnement-Zeitungen hatten Verluste
Berlin. Der von Experten schon seit längerem diagnostizierte Trend zu den elektronischen Medien hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Die in Berlin ansässigen Zeitungsverlage finden für ihre Produkte immer weniger Abnehmer in der Stadt. Die Zahl derjenigen, die täglich einen Blick in ihre Gazette werfen, ist im vierten Quartal 92 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres von 1,45 auf 1,28 Millionen gesunken (Quelle: IVW).
Betroffen von diesem Rückgang sind alle Zeitungen, allerdings in unterschiedlichem Maße. Die größten Einbrüche sind bei den Boulevardblättern zu verzeichnen. So sank das jahrelange Flaggschiff des Hauses Springer, die Bild-Zeitung, von 132.000 auf 113.000 täglich verkaufte Exemplare ab. Das Konkurrenzprodukt des Berliner Verlages, der Berliner Kurier fiel, nachdem er seine Abendausgabe eingestellt hatte, von 228.000 auf 164.000 Exemplare. Hingegen konnte sich die BZ relativ stabil bei einer Auflage von 333.000 halten.
Im heftig geführten Konkurrenzkampf der Abonnement-Zeitungen war im letzten Jahr kein Sieger, sondern nur Verlierer auszumachen. Morgenpost, Tagesspiegel und Berliner Zeitung mußten gleichermaßen Verluste hinnehmen. Am glimpflichsten kam der Tagesspiegel davon. Seine Auflage sank lediglich um 3.000 Exemplare auf 128.000. Seine Leser scheinen über den Einstieg des Holtzbrinck- Konzerns in das bis dato unabhängige Blatt nicht sonderlich verschreckt zu sein, denn nach einem Zwischentief im dritten Quartal von 124.000 ist der Verkauf wieder angestiegen. Auch die Morgenpost hatte ihr eigentliches Tief im vergangenen Herbst, als sie nur noch 192.000mal verkauft wurde, mithin um 24.000 Exemplare gesunken war.
Mittlerweile liegt sie wieder bei 202.000. Kontinuierlich fiel hingegen, trotz des nach wie vor sehr niedrigen Verkaufspreises, die Auflage der Berliner Zeitung, von 275.000 auf 266.000 Exemplare.
Eine erneute Bewegung auf dem Marktsegment der Abo-Zeitungen ist in diesem Jahr zu Pfingsten zu erwarten, wenn die Welt, wie lange angekündigt, ihren Sitz nach Berlin verlegt und mit einem eigenen Lokalteil herauskommt. Allerdings haben die Blattstrategen nicht viel Anlaß zu Optimismus. Die Berliner Ausgabe der Welt am Sonntag geht mit gerademal 20.000 Exemplaren steil abwärts. Ein Jahr zuvor waren es noch 26.000.
Im kontinuierlichen Abwärtstrend befindet sich auch das Neue Deutschland. Knapp zehn Prozent der Leserschaft verließen es, das Blatt hält sich nun bei einer Auflage von 85.000. Bei knapp 64.000 Exemplaren liegt die Junge Welt, deren Auflage vor einem Jahr jedoch nicht erhoben wurde. Allerdings unterliegt auch sie einem kontinuierlichen Schrumpfungsprozeß.
Die taz hatte im letzten Herbst zu einer finalen Rettungsaktion aufgerufen und damit einen überraschend durchschlagenden Erfolg erzielt. Allerdings schlug der in der Hauptstadt nicht wie erhofft zu Buche. Trotz leichter Steigerung zum Jahresende liegt die Auflage in der Stadt mit 16.500 verkauften Exemplaren um 1.800 unter dem Vorjahresergebnis. In der Kochstraße 18 heftet man von daher den Blick lieber auf die Gesamtauflage, denn die ist gegenüber dem Jahresende 1991 um 3.500 auf 64.200 gestiegen. Im dritten Quartal 1992 lag sie gar nur noch bei 55.100.
Die taz kann sich folglich zumindest die höchste Vierteljahressteigerungsrate der Berliner Zeitungslandschaft zugute halten. dr
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