: Wünschelrutengänger auf die Probe gestellt
■ Erdstrahlen beschäftigen auch die Wissenschaft
Es gibt Leute, die verrücken deswegen ihre Betten oder schieben ihnen die Schuld für ihren letzten Verkehrsunfall zu. Erdstrahlen scheinen ideal zu sein, um sie mit Vermutungen zu überladen. Dabei ist wissenschaftlich nach wie vor umstritten, ob es sie überhaupt gibt. Professor H.L. König vom Institut für Technische Elektrophysik der TU München bringt mehr Licht ins Wünschelrutenphänomen.
taz: Sie haben 1986 bis 1988 im Auftrag des Bundesforschungsministers im Rahmen des „Münchner Erdstrahlenprojekts“ die Fähigkeiten von rund 500 Wünschelrutengängern getestet. Was kam dabei heraus?
Professor König: Der erste Teil des Untersuchungsprogramms bestand in Massenversuchen. Rutengänger wurden über Teststrecken geschickt, sie sollten verborgene Wasserleitungen aufspüren. Praktisch verwertbare Ergebnisse sind dabei nicht herausgekommen. Augenfällige Häufungen „richtiger Tips“ an den entsprechenden Teststellen gab es nicht. Die statistische Auswertung der Versuchsreihe zeigt zwar, daß signifikante Ergebnisse vorhanden sind, in der Praxis sind derartige Methoden jedoch nicht verwertbar. Das führte dazu, daß wir zu Einzelexperimenten übergingen.
Wir untersuchten, ob es bei den Rutengängern eine ortsabhängige Körperreaktion im Sinne einer eigenen Fühligkeit gibt oder ob das Ganze auf trivialer Beobachtungsgabe der Umwelt durch die Rutengänger beruht. Das heißt: Wir wollten feststellen, ob an einer bestimmten Stelle ein bestimmter Umweltreiz eine Körperreaktion auslöst, die nichts mit den üblichen Sinnesorganen zu tun hat.
Und da sind Sie doch fündig geworden. Ein Resultat Ihrer Studie lautete: „Einige Rutengänger wiesen bei speziellen Aufgaben eine außerordentliche Treffsicherheit auf.“ Ein paar konnten demnach tatsächlich mit der Rute Wasser aufspüren. Bedeutet das letztlich – einige können's, aber die Masse der Wünschelrutengänger sind Scharlatane?
Es war nicht unsere Aufgabe, herauszufinden, wie viele Rutengänger „gut“ sind oder „schlecht“. Unsere Aufgabe bestand einzig darin, zu untersuchen, ob es ein echtes Wünschelrutenphänomen gibt oder nicht. Und dabei gingen wir von Versuchsanordnungen aus, die uns zwar Kritikern gegenüber unangreifbar machen, die aber die Rutengänger in eine kaum akzeptable Versuchssituation brachte. Ein Beispiel: Die Rutengänger mußten zum Schluß unserer Versuchsreihe blind und taub über Teststrecken gehen. Außerdem standen noch zwei, drei Professoren daneben, die ihnen auf die Finger schauten. Das ist eine schwere Belastung für die Leute und entspricht auch nicht ihrer üblichen Arbeitsweise. Denn wann spaziert ein Rutengänger schon mit verbundenen Augen und zugestopften Ohren durch die Gegend? Schon aus diesem Grund kann man keine allgemeingültigen Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit von Rutengängern ziehen. Nur eines läßt sich sagen: Wenn ich die Experimente extrem schwierig gestalte, dann versagen offensichtlich die meisten Rutengänger. Und dennoch gab es unter diesen extremen Bedingungen einige, die eine außerordentlich hohe Trefferquote aufwiesen.
Genau das bestreiten Kritiker wie das Institut für Rechtsmedizin der Uni Marburg. Diese Stimmen behaupten, daß die „Versuchsanordnung sowie die Auswertung der Ergebnisse des Münchner Projekts erhebliche Mängel aufweise“. Was sagen Sie dazu?
Diese Behauptung des Marburger Instituts steht im Raum und ist durch nichts bewiesen. Sie beeinträchtigt deshalb auch in keiner Weise die Aussagekraft unserer Versuche.
Hat es seit Ihrer 88er Studie andere Untersuchungen gegeben, die Ihre Ergebnisse erhärten?
Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, die mit dem vergleichbar sind, was wir gemacht haben, existieren bislang nicht. Allerdings ist eine Untersuchung vorhanden, der ich ganz erhebliche Bedeutung beimesse. An ihr ist ein Wassersucher beteiligt, der bereits zu unseren Testpersonen gehörte. Er ist von Beruf Tiefbauingenieur und für die „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) tätig. Er war Mitglied einer Gruppe von Geologen und Bohrteams, die den Auftrag hatte, in Sri Lanka Wasserquellen ausfindig zu machen. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einem Experiment. Die Teams wurden in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe führte Bohrungen nur an den Stellen durch, die von den Geologen benannt wurden, die andere Gruppe hingegen bohrte an Stellen, die der besagte Rutengänger angab. Insgesamt wurden rund 500 Wasserbohrungen durchgeführt, etwa die Hälfte auf Geheiß der Geologen, die andere Hälfte auf Geheiß des Rutengängers. Die Erfolgsquote der Geologen lag bei 30 Prozent (bei einer vergleichbaren definierten Wasserschüttung) und die Erfolgsquote des Rutengängers betrug über 90 Prozent. Diese Untersuchung beinhaltet nach meinem Dafürhalten Fakten, an denen es nichts zu deuteln gibt. Interview: Thomas Worm
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