piwik no script img

Heartbreaker-Ball brach kein Herz

■ Herzbrecher waren nicht ganz so keck wie geplant

Das Modernes war schon früh am Abend mit angehenden HerzensbrecherInnen prall gefüllt, eine bunte Mischung vom Teenie bis zum alternden Akademiker.

Wer im Bremer im Februar eine Kontaktanzeige aufgegeben hatte, hatte eine Freikarte, die übrigen berappten stolze 15 Mark. Diese Anzeigen bildeten dann auch, großkopiert und wüst durchnummeriert im Foyer ausgehängt, den Mittelpunkt des Ereignisses. Wer sich durch eine angesprochen fühlte, hatte Gelegenheit, sein Interesse durch einen Button mit der Nummer der attraktiven Anzeige kund zu tun. Den VerfasserInnen blieb es dann überlassen, bei Gefallen den Träger ihrer Nummer anzusprechen.

Trotz aller Planung war der Erfolg der Anstecknummern eher mager. Selbst die Besitzerin der von den Herren am häufigsten getragenen Nummer 355 erklärte überrascht, noch nicht einen ihrer angeblichen Verehrer im Gewühl entdeckt zu haben. Das Gros der BesucherInnen verschähte die Anstecker. Mareike, 24, Bürokaufrau, fand sie „zu offensichtlich“, Tanja, 21, Promoterin, hatte keine „witige“ Anzeige gesehen, und Joachim, 25, Ingeneur, war sowieso nur da „um zu sehen, was da so für Leute hingehen.“

Manche zweckentfremdeten die Buttons für andere Bedürfnisse. Vom offenen „Dich“ über das vermessene „250,-“ bis zum verzweifelten „Egal“ reichte das Spektrum der angesteckten Antworten auf die Frage, wen oder was man eigendlich suche. Dennoch: an echten Pärchen, die sich an diesem Abend kennengelernt hatten, mangelte es, und so bevölkerten die BesucherInnen die Tanzfläche unter dem großen Pappmache- Herzen weniger zum Schwofen als zum Abtanzen.

Ob das Konzept der Veranstalter ausreicht, um die Bremer Singles wie geplant vier- bis fünfmal im Jahr aus dem Haus zu locken, ist fraglich. Zu gering war die Bereitschaft der Besucher, sich auf die Spielregeln einzulassen. Während man hier aber auf die Lernfähigkleit der BremerInnen hoffen kann, ist eine problembewußtere Herangehensweise der Veranstalter Pflicht. Mensch suchte in einem Klima künstlich geschaffener Promiskuität vergeblich nach AIDS- Aufklärung oder einem Frauen- Nachttaxi. Für Kerstin, 24, Bürokauffrau, war der Abend dennoch nett. Daß sie den Autor von Anzeige 277 trotz sichtbar getragenen Buttons nicht getroffen hat, nimmt sie nicht weiter tragisch:“Der war bestimmt sowieso nicht da.“

Und sie lacht: „Sonst hätte er mich doch bestimmt angesprochen.“ L.R.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen