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Das Ende der Wunschmedizin

■ Kassenärzte gegen Panik von Patienten / Ungesund: Seehofer-Bauch im Dezember

Der Prosteststurm der Kassenärzte gegen die neue Medikamentenverordnung hat sich gelegt. Jetzt müssen sich nur noch die Patienten daran gewöhnen, daß sie in Zukunft weniger Medikamente verschrieben bekommen. Zu diesem Fazit kamen gestern die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVB) sowie VertreterInnen der Kranken- und Ersatzkassen. „Unser Problem ist nicht der Sparkurs, sondern die Umsetzung“, erklärte Jürgen Grote von der VKB. Manfred Müller von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bremen ergänzte: Es sei für die Ärzte kein Problem, bei der Verschreibung von Medikamenten kräftig zu sparen. Es käme jetzt nur noch darauf an, die Patienten mit den neuen Verschreibungsmodalitäten vertraut zu machen.

24 Milliarden Mark, das ist die absolute Obergrenze für Medikamente, die die Ärzte in diesem Jahr verschreiben dürfen. Das ist der Wert von 1991. Verschreiben sie mehr, haften sie mit einem Prozent ihres Umsatzes. Genau da liegt der Hase aber im Pfeffer, glaubt man den Kassenärzten. Denn die unterschiedlichen Sparten produzieren unterschiedlich viele Rezepte. „Augenärzte verschreiben kaum, Allgemeinmediziner und Internisten verschreiben dagegen 80 Prozent aller Medikamente“, erklärte der Mediziner Heinz Funken. Wie soll da gerecht verteilt werden?

Wieviel noch drin ist beim Einsparen, verdeutlicht eine Zahl, die die Vertreterin der Ersatzkassen, Andrea Kaula, gestern nannte. „In der Bundesrepublik verlassen 95 Prozent der Patienten mit einem Rezept in der Hand die Arztpraxen, in Holland sind es 60 Prozent.“ Grote: „Ich kenne diese Zahlen nicht und kann mit das nicht erklären.“ Machen die Ärzte mit Rezepten eine schnelle Mark? „Für Verschreibungen allein werden keine Gebühren bei den Krankenkassen erhoben", verteidigte Hans Funken seinen Berufsstand. „Mit einer Verschreibung geht immer auch ein Beratungsgespräch einher, für das dann Gebühren erhoben wird.“ Dagegen sprach wieder Andrea Kaula. Nach ihren Angaben haben sich die Kassenärzte im letzten Dezember noch einmal richtig schadlos gehalten. „In diesem Dezember hatten wir 22 Prozent mehr verschriebene Medikamente als im Vormonat. Das war ein richtiger Seehofer-Bauch.“

Gegen panikartige Reaktionen wollen die Kassenärzte jetzt zu Felde ziehen. „Alle wichtigen Medikamente können weiter verschrieben werden, nur die Wunschmedikamente sind jetzt in Frage gestellt“, erklärte der Arzt Ulrich Weigelt. Darunter fielen vor allem solche Medikamente, die das Wohlbefnden eines Patienten verbesserten, aber nicht zu seiner Genesung beitragen. mad

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