: Portugal schiebt „Illegale“ ab
■ Frist bis 13. Februar/ Nur wer Arbeit hat, darf bleiben
Lissabon (taz) – Für Sebastiao António Gomes war die lange Reise ins „Mutterland“ auf dem Flughafen von Lissabon zu Ende. Die portugiesische Grenzpolizei verweigerte dem 27jährigen Brasilianer aus Minas Gerais und seinen sieben Landsleuten die Einreise.
Die Männer waren als Touristen gekommen, ohne Visum. Das war auch nicht nötig, denn Brasilien und seine einstige Kolonialmacht Portugal gestatten Geschäftsleuten und Touristen gegenseitig die visafreie Einreise bei einem Aufenthalt bis zu sechs Monaten. Nur wer länger bleiben will, benötigt ein Visum. Und das ist für Brasilianer immer seltener zu bekommen, seit Portugal im Juni 1991 das Schengener Abkommen unterschrieben hat, das die Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen den Unterzeichnern vorsieht. Gleichzeitig haben sich die beteiligten Länder verpflichtet, ihre Grenzen verstärkt gegen illegale Einwanderer zu sichern.
Für die portugiesische Ausländerbehörde (SEF) waren die acht Brasilianer „Illegale“. Es sei „nicht normal, daß verheiratete Männer ohne ihre Familien Ferien machen. Und auch nicht glaubwürdig, daß ein brasilianischer Maurergehilfe seinen Urlaub in Portugal verbringen will“, sagt der stellvertretende SEF-Chef José Pestana.
Der brasilianische Konsul, Afonso Massot, weist dies zurück: „Sie hatten ein Rückflugticket, einen gültigen Reisepaß und jeder von ihnen hatte zwischen 1.200 und 1.500 Dollar bei sich. Genug für einen Urlaub.“ Die acht Brasilianer protestierten gegen die drohende Abschiebung. Vergeblich. Nach drei Tagen, während derer sie die Ankunftshalle des Flughafens nicht verlassen durften, mußten sie nach Brasilien zurück. Geschlafen haben sie auf dem Fußboden.
Brasiliens Staatspräsident Itamar Franco revanchierte sich prompt. Eine Woche nach der Zurückweisung seiner Landsleute und ihrer demütigenden Behandlung in Lissabon unterschrieb er ein Dekret, das Portugiesen in Brasilien die Einwanderung erschwert. Die vertraglich abgesicherte Freundschaft zwischen beiden Ländern hat beinahe 40 Jahre Tradition. 1,2 Millionen Portugiesen leben in Brasilien, 13.000 Brasilianer leben in Portugal. Doch die Hinwendung Portugals zur EG geht einher mit der Abwendung von den einstigen Kolonien.
Einwanderern, die sich ohne staatliche Genehmigung in Portugal aufhalten, droht die Ausweisung. Regierung und Ausländervereine schätzen die Zahl dieser Illegalen auf knapp 100.000. Die meisten von ihnen stammen aus den alten afrikanischen Kolonien Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde sowie Sao Tomé und Principe. Die portugiesische Regierung unter dem liberal-konservativen Ministerpräsidenten Anibal Cavaco Silva hat ihnen eine Frist bis zum 13. Februar gesetzt, um ihren Aufenthalt zu legalisieren. Täglich laufen Werbespots im Fernsehen, die dazu aufrufen, sich registrieren zu lassen. Viva tranquilo, viva uma vida nova, heißt es in dem Aufruf. „Lebe gelassen, lebe ein neues Leben.“ Eine Woche vor Ablauf der Frist haben jedoch lediglich 40.700 „Illegale“ einen Antrag auf Legalisierung ihres Aufenthaltes in Portugal gestellt.
Kein Wunder, hat das Einwanderungsgesetz doch Haken und Ösen. Legalisieren können ihren Aufenthalt nur diejenigen, die vor dem 1. Juni 1986 aus den einstigen afrikanischen Kolonien ins „Mutterland“ gekommen sind. Für die vielen anderen gilt das Angebot eines neuen Lebens nicht. Die große Mehrheit der Zugewanderten aus Afrika lebt am Rande der Gesellschaft, oft in Barracken-Vierteln. Aufgrund ihres illegalen Status machen sie jede Arbeit, sei sie noch so hart und noch so schlecht bezahlt. Sie verdienen weniger als den gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Sozial- und Arbeitslosenversicherung haben sie nicht.
Hier liegt auch der zweite Haken des Einwanderungsgesetzes. Um ihren Aufenthalt zu legalisieren, brauchen die Illegalen eine Arbeitsbescheinigung. „Viele Arbeitgeber weigern sich, eine solche Bescheinigung auszustellen, weil sie dann auch Versicherungsbeiträge zahlen müßten“, weiß Celeste Correia, Vizepräsidentin der Vereinigung der Einwanderer aus Kap Verde. „Sie drohen mit Entlassung, wenn die Illegalen zur Ausländerbehörde gehen.“ Theo Pischke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen