"Das ist bei uns nicht drin"

■ Wenn Deutsche ihrem Unmut Luft machen: Bei der Bürgersprechstunde zum Thema Asylbewerberheim in Mitte bekennt sich niemand offen zum Frendenhaß

Berlin. Wenn Herr Heinze, wohnhaft in Berlin-Mitte, Alexanderstraße 11, seinen täglichen Rundgang durch den Bezirk unternimmt, muß er regelmäßig Dinge registrieren, „die es früher bei uns nicht gegeben hat“. Seitdem vor zehn Wochen in der benachbarten Magazinstraße eine Unterkunft für 400 Asylbewerber eröffnet worden ist, hat Heinze nicht nur „an jeder Ecke Schmutzberge“ entdeckt, auch der Verkehr gebe Anlaß zur Beunruhigung. Diese Raserei! Zu einer Rennstrecke habe sich die Magazinstraße entwickelt, „besonders an den Wochenenden und alltags ab 20 Uhr“. Dann bretterten die Asylsuchenden mit ihren größtenteils schrottreifen Fahrzeugen über den Asphalt und störten die Ruhe der Bevölkerung. Woher sie die Autos haben, „wo die Asylanten doch alle zu den Ärmsten zählen sollen“, hat Heinze noch nicht ermitteln können. Dafür ist er der Polizei gern hilfreich, die Kisten aus dem Verkehr zu ziehen: „Ich habe bereits zwölf Wagen nummernmäßig erfaßt.“ Heinze ist der Star bei der Bürgersprechstunde im Bezirksamt Mitte, wo die Anwohner ihre Erfahrungen mit den Asylsuchenden aus 28 Nationen austauschen sollen. Keiner der bestimmt fünfzig anderen Diskutanten hat sich so intensiv wie er auf die Diskussion mit Bürgermeister Gerhard Keil, der Ausländerbeauftragten Christine Bartels und Vertretern vom Landesamt für soziale Aufgaben und der Polizei vorbereitet. Als Sprecher der ganzen Region fühlt sich Heinze, wenn er sagt, „daß keiner von uns was gegen Ausländer hat. Aber wir haben Probleme mit der ungeordneten Situation.“

Einge berichten ausführlich über diese Probleme. Eine Frau aus der Schillingstraße hat beobachtet, „daß bei den Asylanten bei Regen, Sturm und Schnee die Fenster offenstehen. Und wir sollen sparen.“ Ihr Nebenmann, ein Rentner, hat für vieles Verständnis, „schließlich bin ich selber aus Schlesien rausgeworfen worden“. Aber nachts mit Musik und Gesang die ganze Straße beschallen, „das ist bei uns nicht drin“. Herr Heinze aus der Alexanderstraße nutzt die Gelegenheit, noch mal auf sein bevorzugtes Problem mit den Autos einzugehen: Auf einer Wiese fand er neulich eine ausgebaute Autobatterie, ob „die Säure schon ausgelaufen war, konnte ich nicht feststellen“.

Die Reaktion der Offiziellen ist eher hilflos. Bürgermeister Keil erzählt, daß auch Deutsche manchmal Schmutzhaufen auftürmen, neulich hat er sogar kaputte Fernseher und alte Sofas auf der Straße liegen sehen. Uwe Götting vom Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben will dafür sorgen, daß Sammelboxen für Altkleider nicht mehr geplündert werden. Als er einen Besuch in der Unterkunft ankündigt, fällt ihm einer von ganz hinten ins Wort: Nicht immer vor zwölf sollten die vom Amt kommen, sondern mal abends, „ab 22 Uhr. Sie werden sich wundern, was da los ist!“ Zustimmendes Kopfnicken, und gleich legen sie noch ein paar Schippen drauf, erzählen von einem überfallenen Mann im Supermarkt, von eingeworfenen Scheiben, von den aggressiven Ausländern, die sich verstärkt zusammenrotteten. Keiner wage mehr, einzuschreiten, sagt eine Frau, „aus Angst, selber einen draufzukriegen“.

So einig sind sich die Bürger, daß andere Meinungen kaum Gehör finden. Als einer um eine differenzierte Betrachtung bittet, „weil ich schon Schwarzhäutige erlebt habe, die in größter Disziplin dort leben“, erntet er nicht bei allen Zustimmung. Als einer über die „Petzstunde“ schimpft, lachen ihn einige aus. Schließlich berichtet die Ausländerbeauftragte Christine Bartels über die Fortschritte, die viele junge Asylbewerber beim Erlernen der deutschen Sprache machten. Bei einem Tag der Offenen Tür, terminiert auf den 16. Februar, „würden sie ihr Deutsch gern im Gespräch mit Ihnen ausprobieren“. Die Resonanz im Auditorium ist verhalten. Man bleibt halt lieber unter sich. Holger Gertz