Streibl weist Dornenkrone dankend ab

Der bayrische Ministerpräsident tut keine Buße, weil er sich in der „Amigo“-Affäre keiner Schuld bewußt ist/ CSU-Apostel verraten ihn nicht/ Moraldebatte im Münchner Landtag  ■ Aus München Thomas Pampuch

Die Amigo-Passion des Oberammergauer Laiendarstellers Streibl, im Hauptberuf derzeit immer noch Ministerpräsident des Freistaates Bayern, erlebte heute eine weitere lustige Variante. Auch wenn viele das ihm wohl bekannte „kreuziget ihn“ ein ums andere Mal in die ehrwürdigen Hallen des Münchner Maximilianeums donnerten, der brave bayerische Held lehnte die Dornenkrone rundweg ab und schmiß sie zurück ins Plenum. Der Ausgang der Gaudi in der Landeshauptstadt überraschte freilich niemanden mehr. Denn seit am Dienstag Streibls Hauptschranzen das Drehbuch festgelegt hatten, war klar, daß sich die in ihrer Rolle (als Pharisäer?) wohlpräparierten bayerischen Sozialdemokraten noch so ins Zeug legen konnten, es würde nichts helfen. Ob in Bayern ein CSU-Ministerpräsident fällt oder nicht, das bleibt weiterhin eine ureigene Sache eben dieser Regierungspartei, da beißt die SPD keinen Faden ab, und auch nicht die weißblauen Grünen. Edmund Stoiber, neben dem Fraktionsvorsitzenden der CSU im Landtag, Alois Glück, am hartnäckigsten als Streibl-Nachfolger gehandelt, hatte die Losung schon vor der Schlacht formuliert. Streibl sei „Granit der CSU“. Und an diesem per Dekret ausgerufenen Material des dennoch etwas bläßlich wirkenden Landesvaters bissen sich denn auch die Königsmörder aller Provinienzen ihre Zähne aus.

Dabei hatte es am Montag noch durchaus blümerant für Streibl ausgesehen. Wurden doch Überlegungen des sogenannten „Frankenrates“ ruchbar (eines Zusammenschlusses vierer fränkischer Bezirksverbände der Jungen Union), es sei an der Zeit, sich von Max Streibl zu trennen. Von „Perspektiv- und Profillosigkeit des Ministerpräsidenten“ war da die Rede gewesen und daß die Amigo- Affäre nur der berühmte Tropfen des berühmten Fasses sei. Und gedroht hatten die fränkischen Frevler auch noch: Ganze Bezirksverbände der JU seien nicht mehr bereit, für einen Spitzenkandidaten Streibl bei den Landtagswahlen noch Plakate zu kleben. Das werden sie wohl doch tun müssen.

Denn Streibl ließ bei der Debatte über den Dringlichkeitsantrag der SPD, ihn seines Amtes zu entheben, in einer Mischung aus Entschlossenheit und Weinerlichkeit keinen Zweifel, daß er seiner bayerischen Heimat auf seinem Posten (den er selbst einmal als „das schönste Amt der Welt“ bezeichnete) noch lange dienen wolle. Da nütze es auch nichts, daß die Opposition ihm ein höhnisches „ja freilich, wenn man da so schöne Reisen machen kann“ entgegenschleuderte. Streibl wies alle Vorwürfe zurück, er habe mit Reisen auf Kosten der Flugzeugbauer Grob und MBB Anrüchiges getan und Politik mit Spezln-Wirtschaftsförderung verknüpft, sprach von Heuchelei, Niedertracht und einem „widerlichen Spiel der SPD“ und erklärte im übrigen alle Angriffe auf ihn zu „einer infamen Verleumdungskampagne..., die nicht nur mir persönlich, sondern auch dem Ansehen Bayerns in Deutschland und damit den Arbeitsplätzen schadet...“ „Der Staat bin i“ also, geheiligte alte CSU-Philosophie.

Die Opposition mühte sich redlich, dem Ministerpräsidenten seine dienstlichen Luxusreisen, seine Vorteilsnahmen und seine unstatthafte Verbandelung mit dem „militärisch-industriellen Komplex“ nachzuweisen und zu belegen. Egal ob sich Streibl subjektiv als unbestechlich sehe, objektiv sei er „empfänglich“, umschrieb es Albert Schmidt von der SPD. Die Grünen wiesen den Brasilienkenner Streibl auf das leuchtende Beispiel des dortigen Präsidenten Collor de Mello hin, der ja auch Konsequenzen aus seinen Verfehlungen gezogen habe.

Aber Bayern ist nicht Brasilien. Als der Worte übergenug gewechselt waren, konnte Streibl auf die CSU-Regie zählen: 124 Abgeordnete standen wie ein Mann mit ihrer Stimme zum Grob-Reisenden. Das hat die Opposition immerhin erreicht: die CSU muß unter Streibl weiterleben.