: "Auch Chaoten sind wichtig"
■ Senator Fücks gab dem Hollerland-Kämpfer Gerold Janssen ein Bundesverdienstkreuz
„Auch Chaoten sind wichtig“
Senator Fücks gab dem Hollerland-Kämpfer Gerold Janssen ein Bundesverdienstkreuz
Vor vierzehn Tagen wurde er noch von der Polizei aus dem Hintereingang der Bürgerschaft expediert — gestern war er Ehrengast im Rathaus: Gerold Janssen, unermüdlicher Ökoaktivist und Kämpfer für das Hollerland, wurde hoch dekoriert. Gestern heftete ihm der Grüne Umweltsenator Ralf Fücks das Bundesverdienstkreuz ans Revers, direkt unter die Anti- Atomkraft-Sonne.
Doch mindestens so viel Ehre und Blumen und Umarmungen und Händeschütteln kriegte Fenna Janssen ab, immer noch viel zu wenig, wenn man Gerold Janssen glaubt: „Das Leben der beiden Janssens war zwar oft spannend, aber es führte auch zu vielen Spannungen durch die politischen Jahre unserer 40jährigen Ehe“, sagte er in seiner Rede. „Wir haben es gerade noch ausgehalten, und das ist fast ein Wunder.“ Und Fenna Janssen kommentierte knorrig aus dem Saal: „Das war aber auch schwer, mein Lieber.“
Alle, alle waren gekommen, von der Creme der Ökobewegung bis zur politischen Spitze, von alten Freunden bis zu alten Gegnern. Gerold Janssen wäre nicht Gerold Janssen, wenn er gestern nicht gleichzeitig einen anderen Termin gehabt hätte: Die Vorladung zur Polizei wegen der Aktion in der Bürgerschaft während der Taiwan-U-Boot-Debatte hat er wegen der Ordensverleihung dann aber lieber sausen lassen. Und Gerold Janssen wäre nicht Gerold Janssen, wenn er den Anlaß und die Presse nicht genutzt hätte: „Ziviler Ungehorsam ist in diesem Land unabdingbar“, stellte er über seine Dankesrede.
Lange habe er es sich überlegt, ob er den Orden annehmen werde, wegen der „Nazis, Kriegstreiber und Wirtschaftsbonzen“, die genauso dekoriert worden seien. Aber am Ende habe er sich dann doch dafür entschieden: „Wenn nun künftig der 'Weser-Report' in Bremen oder die bundesweite 'Nationalzeitung' des Herrn Frey mit ihren Dreckfingern — Entschuldigung — mit ihren schwarzen Druckfingern auf mich, den Chaoten mit dem Bundesverdienstkreuz zeigen sollten, so werde ich es ertragen können.“
Die BI-Karriere oder: Unerträgliches nicht ertragen
Aber mit dem Ertragen ist es so eine Sache bei Gerold Janssen. Ob man ihm den Vorsatz abnehmen kann? Das Unerträgliche ertragen, das kann er nicht, und er ist voller Geschichten über den Kampf ums Hollerland, über mehr als 20 Jahre Engagement mit einem großen Sieg am Ende, aber auch mit tiefen Einbrüchen und Depressionen.
Schon Ende der 60er Jahre, als „Bürgerinitiative“ noch nicht zu den anerkannten demokratischen Spielregeln zählten, hatte er schon eine gegründet: Für ein gesundes Horner Bad mit seinem Solwasser. Zwischen 1970 und 75 wurde die „Bürgerinitiative zur Abwehr überörtlichen Verkehrs in Horn- Lehe“ aus der Taufe gehoben. Einer der Väter der Gruppe im Kampf gegen den Verkehrszuwachs mit dem Bau der Uni: Gerold Janssen. Dann kam die BI für Fußgänger/Radfahrer, 1978 wurde in Janssens Wohnzimmer der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club gegründet.
Aber identifiziert wird Gerold Janssen nach wie vor mit einem Projekt: Der Rettung des Hollerlandes vor der Bebauung. Dafür legte er sich mit dem Senat an, dafür wurde er ein ums andere mal nach Aktionen festgenommen, dafür schleppte er einen Politiker nachdem anderen durch die Feuchtwiesen, dafür war er in Amtsstuben (wie in Redaktionen) gleichermaßen geachtet und gefürchtet. (vgl. taz 8.2.) Wenn es um das Pappelwäldchen oder die Uferschnepfe geht, ist mit Janssen nicht gut Kirschen essen da setzt er sich schon mal auf eine Baggerschaufel oder klettert auf Bäume. Mit Erfolg: Nach Jahren der Auseinandersetzung wurde im Oktober 1989 der historische Kompromiß ums Hollerland unterzeichnet. Einen zäheren Widersacher als Gerold Janssen hatte wohl der Senat selten erlebt.
„Frau Tielitz, die Frau eines Polizeibeamten, der mich beim Malen im Hollerland zur Strecke gebracht hatte (ich ihn aber auch, weil er mit dem Rad ohne Licht fuhr) erzählte mir später: Herr Janssen, seitdem Sie den Naturlehrpfad auf den Jan-Reiners- Weg gepinselt haben, weiß ich, was die Rote Liste ist, ich kenne jetzt Krebsschere und Uferschnepfe.“
Gerold Janssen wäre nicht Gerold Janssen, wenn er da nicht weitermachen würde.
Jochen Grabler
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