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Oppositionsführer vor Wahlsieg auf Madagaskar

■ Albert Zafy bei Präsidentschaftswahl vorn/ Was plant Amtsinhaber Ratsiraka?

Berlin (taz) – Madagaskar, die „große Insel“ vor der afrikanischen Küste im Indischen Ozean, könnte zu einem guten Beispiel für den angeschlagenen Demokratisierungsprozeß in Afrika werden. Aus der Stichwahl für das Amt des Präsidenten am Mittwoch ist nach ersten Berechnungen der Oppositionsführer und Bürgerrechtler Albert Zafy als Sieger hervorgegangen. Rundfunkberichte, die sich allerdings vor allem auf die Hauptstadt beziehen, gaben Zafy gestern fast 70 Prozent. Sollte sich dieser Trend bestätigen – das endgültige Ergebnis wird erst Mitte März erwartet –, könnte sich Madagaskar fortan zu der kleinen Gruppe afrikanischer Länder zählen, die ihren Diktator demokratisch aus dem Amt gejagt haben.

Beim ersten Wahlgang am 25.November 1992 hatte Zafy mit 45Prozent bereits klar vorn gelegen. Der seit 1975 regierende Amtsinhaber Didier Ratsiraka war bei 29Prozent steckengeblieben. Alle anderen Kandidaten erklärten danach ihre Unterstützung für Zafy. Zafy war im Sommer 1991 der Anführer monatelanger Massenproteste, die mit wochenlangen Generalstreiks und täglichen Mammutdemonstrationen in der Hauptstadt den Sturz Ratsirakas herbeiführen wollten. Auf dem Höhepunkt der Proteste, am 11.August 1991, töteten Soldaten der nordkoreanisch ausgebildeten Präsidialgarde etwa 100 Menschen, als 400.000 Demonstranten versuchten, auf den bunkerähnlichen Präsidentenpalast zu marschieren. Das Massaker zwang Ratsiraka zu Verhandlungen mit der Opposition, woraufhin Zafy und seine Anhänger Positionen in einer provisorischen neuen Regierungsstruktur bis zur Abhaltung von freien Wahlen erhielten.

Trotz Zafys Popularität wuchsen jedoch in den letzten Wochen Zweifel daran, ob Ratsiraka tatsächlich die Macht abgeben würde, oder ob er, ähnlich wie Jonas Savimbi in Angola, sich mit Händen und Füßen gegen eine Wahlniederlage wehren würde. Zwei Tage vor den Wahlen versammelte Ratsiraka die anwesenden ausländischen Journalisten in seinem Palast und erzählte ihnen, Zafy wolle ihn durch Söldner „umbringen“ lassen. Am Mittwoch sagte er: „Es gibt keinen Grund, warum ich nicht gewinnen sollte.“ Der Wahltag selber war von einigen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet: In Zafys Heimatstadt Diego Suarez versuchten Soldaten nach Angaben des Nationalen Komitees zur Wahlbeobachtung, die Wähler einzuschüchtern; in der Hauptstadt hätten 15.000 Menschen versucht, mehrmals abzustimmen. Die 14.000 Wahlbüros werden von lediglich 7.000 einheimischen und 70 ausländischen Wahlbeobachtern überwacht.

„Die internationalen Wahlbeobachter müssen nach den Wahlen dableiben“, sagte ein Oppositionsanhänger gegenüber einer Nachrichtenagentur. „Das ist der Zeitpunkt, zu dem Ratsiraka zur Gewalt greifen wird.“ D.J.

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