: Kinkel dreht – durch
■ Weil der Minister sich beleidigt fühlt, sollen Stadtmagazine blechen
Berlin (taz) – Was für eine schlechte Welt: Der Hersteller des „Drum“-Drehtabaks wollte den Bundesaußenminister mit Geschenken überhäufen und wurde dafür mit strafbewehrten Unterlassungserklärungen überhäuft. „Klaus Kinkel dreht“, begann mit großen Lettern eine „Drum“- Textanzeige, „so leicht niemand einen Strick aus nicht eingehaltenen Zusagen. Wo ihm am Bosporus liebe Freunde treuherzig ihre Waffenwünsche vorlegen, kann er nicht nein sagen. Ein paar Panzer gefällig?“ So viel „Treuherzigkeit und Offenheit“, heißt es weiter, werde „Drum“ mit zwei Kilo „türkischen Honigs und ein paar Stückchen Moschus zum Einseifenlassen“ honorieren.
Was für eine miese Welt: Weil dem Minister in doppelter Hinsicht entwaffnender Humor fehlt, soll nun nicht nur das Tabakunternehmen teuer bezahlen, sondern auch ein rundes Dutzend mittelreiche bis mittellose Stadtzeitungen, die die Anzeige voller Vertrauen auf die ministeriale Liberalität abgedruckt hatten.
Ein Rechtsanwalts-Konzern mit über 40 Anwaltsnamen im Briefkopf zeigte dem Berliner Zitty- Verlag, der Kölner Stadtrevue, dem Nürnberger Plärrer, der Regensburger Logo und anderen Blättern an, „daß uns Herr Bundesminister Dr. Klaus Kinkel mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat. Sie haben in der Februar-Ausgabe Ihrer Zeitschrift eine Werbeanzeige veröffentlicht, in der der Name unseres Mandanten zu Werbezwecken benutzt wird. Er hat diese Benutzung nicht gestattet. Die Werbeanzeige und deren Veröffentlichung durch Sie verstoßen daher eindeutig gegen das Persönlichkeitsrecht unseres Mandanten.“
Und was für ein Persönlichkeitsrecht. Riesig, unbezwingbar schiebt es sich in den politischen Raum. Auf eine halbe Million harter Mark bezifferten es die Anwälte des Ministers bei der Festsetzung des Streitwertes, während es Normalsterbliche gerade mal auf 20.000 bis 50.000 DM bringen. Aber 50.000 Mark soll schon allein der Wiederabdruck der Anzeige kosten, und weitere geschätzte 50.000 Mark bringt das Verfahren den Anwälten ein, die noch den kleinsten Alternativblättchen ruinöse 3.300 Mark Anwaltsgebühren abverlangten.
Wie heißt es noch gleich am Ende der umstrittenen Anzeige, die nun nie wieder erscheinen wird, weil sich zuerst „Drum“ und danach alle Verlage dem Unterlassungsbegehren unterwerfen mußten? „Bist schon clever, Klaus!“ Ute Scheub
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