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„Frauenressort nicht für sämtliche Frauenfragen zuständig“

■ Ein Jahr Frauenressort: Bremens erste Frauensenatorin Sabine Uhl im Gespräch mit der taz / Versuch einer Bilanz

taz: Was für eine Bilanz zieht die Frauensenatorin nach einem Jahr?

Sabine Uhl: Die Bilanz ist, auch wenn das öffentlich kaum wahrgenommen wird, positiv. Wir verstehen ja Frauenpolitik als eine Querschnittsaufgabe, wollten aber trotzdem Schwerpunkte herausarbeiten, in denen wir anderen Ressorts oder auch der allgemeinen frauenpolitischen Debatte Hilfestellung leisten können. Stichwort: Gewalt gegen Frauen, oder Frauenförderung in der Wirtschaftsförderung. Das ist ausgesprochen gut gelaufen.

Was haben Sie konkret im Bereich Gewalt gegen Frauen getan?

Wir haben angefangen mit einer Aktion Frauenparkplätze in der Hochgarage Mitte, ein Modellprojekt, befristet auf ein halbes Jahr. Sie sollen aber dauerhaft eingerichtet werden und in den anderen Hochgaragen auch. Und dann hat am 12.2. in Bremen Nord das halbjährige Modellprojekt Frauen-Nacht-Taxi begonnen. Einmalig ist, daß es ohne öffentliche Zuschüsse sein wird. Bremen Nord bietet sich dafür an, weil es ein relativ überschaubares Gemeinwesen ist. Wir werden das mit einer Öffentlichkeitskampagne unterstützen, um es überall einzuführen.

Bremen Nord ist nicht ausgesucht worden, weil ich da wohne, wie mir unterstellt worden ist, sondern weil das die einzigen Taxiunternehmen waren, die gesagt haben, wir machen das auch ohne staatliche Zuschüsse.

Das kommt mir vor wie Rumdoktorn an Symptomen: Frauenparkplätze, Frauentaxi ... Mir fehlt eine grundlegende Diskussion darüber, wie Gewalt gegen Frauen entsteht. Traurige Tatsache ist ja, daß die Gewalt nicht weniger wird, sondern eher zunimmt.

Daß wir damit lediglich an Symptomen arbeiten und versuchen, eine für Frauen unerträgliche Situation ein Stück weit erträglicher zu machen, ist mir klar. Wir haben aber verschiedene Ansätze: Das eine sind die ganz praktischen Sachen. Zum Beispiel wollen wir einen Fragebogen entwerfen, den wir an alle Frauen in Bremen verteilen wollen, um herauszubekommen, wo die sehr unterschiedlichen Interessen und Ängste von Frauen liegen. Wir wollen Hinweise geben: Hier muß was verändert werden, im Städtebaulichen oder ÖPNV. Das andere ist, daß wir Frauen aus der Opferrolle rauskommen müssen.

Ein Ort, wo Frauen besonders massiv von Gewalt betroffen sind, ist der Drogenstrich. Sie haben im Senat für die Zerschlagung gestimmt. Warum?

Der Begriff Zerschlagung ist für meine Begriffe völlig falsch. Ich wollte erreichen, daß wir drogenabhängigen, sich prostituierenden Frauen drei Dinge bieten: Erstens eine Unterkunft, zweitens Arbeitsmöglichkeiten, drittens den Ausstieg über Methadon. Die Diskussion ist zu sehr verengt worden, darauf, daß der Strich da nicht mehr stattfinden darf. Aber weil der Strich nun offiziell weg ist — inoffiziell gibt es ihn ja immer noch — gibt es überhaupt keine Anlaufstelle für die Frauen mehr: Die Übernachtungsmöglichkeit in der Schmidtstraße ist nicht mehr da, der Bus ist weg. Sie sind jetzt völlig ungeschützt.

Es gibt ja noch ambulanten Einsatz, und die Sozialsenatorin hat die Verpflichtung, für Unterkünfte und Arbeitsmöglichkeiten im Rahmen von BSHG 19 zu sorgen.

Dafür erklären Sie sich nicht zuständig?

Die §19-Möglichkeiten liegen nun einmal in der fachlichen Zuständigkeit des Sozialressorts, aber wir haben gemeinsam den Beschluß, daß das Angebot für die Frauen da sein muß. Und da ist mein Part, daß ich die Sozialsenatorin darauf hinweise: Hier bist du bringepflichtig.

Sie müssen ja mit verschiedenen Ressorts zusammenarbeiten. Einmal mit dem Sozialressort, sehr wichtig ist sicher auch Bildung, gerade was Mädchenbildung angeht. Wie haben Sie diese Zusammenarbeit institutionalisiert?

Über Arbeitskreise. Es gibt eine sehr enge Zusammenarbeit von früher, denn wir knüpfen nahtlos an die Arbeit der Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau an. Im Bildungsressort hat die ZGF Vorschläge für einen besonders mädchenzentrierten Unterricht vorgelegt und vorgeschlagen, wie man Schulbücher verändern kann.

Also getrennter Unterricht?

Nein, nicht daß Jungen und Mädchen generell getrennt werden, sondern daß Mädchen eine stärkere Förderung bekommen.

Wissen Sie, wo in Bremer Schulen Versuche mit getrenntem Unterricht stattfinden?

Nein, das weiß ich im Moment nicht. (Ergänzung aus ihrem Ressort: Im Rahmen eines Schulversuches an der gymnasialen Oberstufe Rübenkamp.) Das Frauenressort ist ja nicht für sämtliche Frauenfragen in allen Ressorts zuständig. Eine seiner Schwerpunktaufgaben ist, bei den anderen Ressorts darauf zu drängen, daß die Konzepte umgesetzt werden.

Wie unterscheidet sich die Frauensenatorin dann noch von der Gleichstellungsbeauftragten?

Die Gleichstellungsbeauftragte ist für die Durchführung unserer Aktionen zuständig, und die Frauensenatorin regt an und diskutiert mit den Mitarbeiterinnen, was vorrangig vorangetrieben werden soll. Wir wollen nicht nur in die anderen Ressorts reingehen und sagen: da müßt ihr was machen, sondern selber Vorschläge erarbeiten.

Aber Vorschläge erarbeiten heißt nicht Politik machen.

Das ist richtig, aber Politik machen, bedeutet, daß wir das, was wir als richtig erkannt haben, in Senatsvorlagen packen oder in den Bundesrat bringen. Wir wollen erreichen, daß Frauen entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosigkeit bei ABM und Fortbildung gefördert werden.

Das war ja wohl auch einer der Gründe, warum man gesagt hat, Frauen und Arbeit sollen ein Ressort werden, um dort eine gezielte Arbeitsmarktpolitik für Frauen zu machen. Wie sieht diese Politik aus?

Wir sind da im den letzten Jahr in Bremen weiter vorangekommen. Wir haben unsere Vorschläge eingebracht, wie innerhalb des Wirtschaftspolitischen Aktionsprogrammes Frauenförderung stattfinden kann. Förderung für Existenzgründerinnen, Zuschüsse für die Einrichtung neuer Frauenarbeitsplätze. Wir haben in den Mustergrundstücksvertrag die Frauen reinbekommen.

Das war aber ein Punkt, wo der Wirtschafts-Senator sehr große Bedenken hatte ...

Hatte er nicht.

... wegen des „Mitnahmeeffekts“.

Der Wirtschaftssenator sagt nur, wir müsen natürlich auch Sanktionsmechanismen haben. Das nächste ist die Beratungsstelle für Frauen Zurück in den Beruf. Wenn das Modell ausgelaufen ist, sind uns die 3,5 Stellen im Rahmen des Personal-Entwicklungs-Plans zuerkannt. Auch im Rahmen der aktuellen Arbeitsmarktpolitik haben wir für die Frauen viel erreicht. Zur Zeit sind 40,6 Prozent aller Arbeitslosen Frauen und 38,8 Prozent aller ABM-Teilnehmer sind Frauen. Bei den Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen liegt der Frauenanteil sogar bei 43,9 Prozent. Es gibt eine Menge frauenspezifische Frauenprojekte, wie Quirl, Fort- und Umschulung in der Krankenhauspflege, im Nachbarschaftshilfebereich ... Sie sehen: Die Kombination Arbeit und Frauen ist inhaltlich gut begründet. Das macht auch Spaß.

Wie hoch sind denn die Mittel, die sie zur Zeit im Ressort Frauen zur Verfügung haben?

Ganz wenig. Zur Zeit ist es nicht viel, weil wir immer gesagt haben, wir warten bis zum Haushalt 94. Da wollen wir auch in die Lottomittel mit rein. Wenn dann die Frauen- oder Mädchenprojekte in unsere Zuständigkeit kommen, wird es auch zu Umschichtungen kommen müssen.

Es muß ja zur Zeit überall furchtbar gespart werden. Müßten Frauen gerade in dieser Situation nicht viel lauter werden und mehr Geld für sich einfordern?

Das machen wir ja auch.

Sie arbeiten aber seit einem Jahr mit ganz geringen Sachmitteln. Warum haben Sie nicht von Anfang an für sich eine bessere Ausstattung gefordert?

Wir haben Mitarbeiterinnen, die alle frauenrelevanten Themen belegen und inhaltlich weiter voranbringen. Ich finde, es geht nicht immer nur darum, daß man ganz viel Geld haben muß. Man muß erst einmal ein ordentliches Konzept haben. Zum Beispiel bei der Frauenförderung im Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm mußten wir keine Gelder einfordern, da sind wir in bestehende Töpfe reingegangen und haben gesagt: Das ist so ein Riesenkuchen, wir möchten bitte ein Stück haben. Ich weiß, es gab auch einige Frauenverbände, die bitterböse waren und gesagt haben: Du mußt das Geld bei dir im Ressort haben. Das hätte ich nie bekommen. Wir haben uns gesagt: Warum sich streiten, wenn ich mit einem anderen Instrument genau das Gleiche erreiche?

Sie haben vorhin gesagt, daß wenig von dem, was sie machen, an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Aber Frauenpolitik braucht sehr viel Öffentlichkeitsarbeit und Bewußtseinsbildung.

Wir haben eine Menge öffentlich gemacht. Wir haben nicht alles, was wir an Ideen haben, nach außen gepustet, weil man dann eine Erwartungshaltung weckt: Ankündigung! Zum Beispiel die Diskussion um das Frauennachttaxi. Das hat so lange gedauert! Wir wollten erst dann nach draußen gehen, wenn das abgesichert ist. Und um Frauenthemen in die Öffentlichkeit zu bringen, wird in der Abteilung 5 jetzt eine Stelle Frauen und Öffentlichkeit eingerichtet.

Auch Frauenverbände und Politikerinnen klagen darüber, daß man in Bremen so wenig von der Frauensenatorin hört.

Wir haben ausgesprochen intensive und auch gute Gespräche mit den Frauenintiativen und Verbänden gehabt. Ich finde es richtig, sich ein Stück zurückzunehmen. Zum Beispiel war der Antrag zu den Vergewaltigungsopfern im ehemaligen Jugoslawien meine Idee. Trotzdem haben wir das geschafft, daß die vier in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen mitgemacht haben. Ich finde das viel wichtiger als wenn ich da oben stehe und die Frauen im Parlament sagen: Was will die denn nun schon wieder?

Wann haben Sie das letzte Mal ein Frauenprojekt besucht?

Das war das Prostituiertenprojekt Nitribitt.

Also Anfang November.

Frauenpolitik ist nicht nur eine Politik für Verbände und Initiativen. Ich setze mich auch sehr stark für die Belange von Frauen in Betrieben ein. Oder beim neuen Arbeitsschutzgesetz. Da setzen wir uns besonders für die Belange der Frauen ein. Das halte ich für genauso wichtig wie einzelne Fraueninitiativen. Wie wichtig ist für Ihre Arbeit der Landesgleichstellungsausschuß?

Sehr wichtig. Weil wir dort themenzentriert Probleme angehen. Wir haben über mehrere Beratungsgänge überlegt, wie wir ausländische Frauen stärker in unsere Gesellschaft und Ar

Foto: Christoph Holzapfel

beitswelt integrieren können. Und haben angeboten, mit den Trägern und Institutionen, die interessiert daran sind, ausländische Frauen in Fortbildung und Umschulung oder Erwerbstätigkeit zu bringen, besser zu kooperieren.

Gewalt gegen Frauen haben wir natürlich auch sehr intensiv diskutiert. Unser Teil ist jetzt die Fragebogenaktion. Ich fände das super, daß wir selber Vorschläge machen, wir Frauen! Der Gleichstellungsausschuß ist ein wichtiger Partner, nicht nur Ansprechpartner. Das Problem war nur, daß der oft zu Zeiten getagt hat, wo ich nicht konnte, weil zum Beispiel Senatssitzung war.

Wie wollen Sie das Landesgleichstellungsgesetz weiter voranbringen?

Wir sind jetzt besonders aufgefordert, die Frauenförderpläne zu erstellen. Ich bin richtig froh, daß wir jetzt einen Entwurf im Ressort haben.

Wann wird es die Förderpläne geben?

Ich denke, im März gehen wir damit auf den Markt. Wir sind da gut vorangekommen, ohne lautes öffentliches Getöse.

Sie hätten das Ressort Frauen ja politisch aufwerten können, indem Sie eine Staatsrätin für Frauen eingestellt hätten. Warum gibt es die nicht?

Weil wir eine Landesfrauenbeauftragte haben, die von der Bürgerschaft gewählt und eingesetzt ist. Frau Kerstein und ich haben lange beraten und gesagt: Wir finden die Stelle so hoch angesiedelt, daß sie die Aufgabe einer Staatsrätin für Frauen hat. Sie ist also mehr als eine Frauenbeauftragte. Wir haben de facto jetzt zwei Staatsräte.

Ist die Stelle denn genauso dotiert wie ein Staatsratsposten?

Nein. Aber das ist eine sehr hoch angesiedelte Besoldung. Soweit ich das in Erinnerung habe, gleich nach dem Staatsrat.

Nimmt sie an den Staatsrätekonferenzen teil?

Natürlich. Und an der Senatssitzung auch. Und das wird von allen akzeptiert. Das ist sehr gut, nicht nur wegen der zwei Stimmen. Sie hat Mitwirkungs- und Mitzeichnungsrecht bei den Vorlagen, sofern frauenpolitische Belange betroffen sind, kann sie die Vorlagen oft in unserem Sinne umdrehen. Dadurch,

daß sie Staatsrätin für den Bereich Frauen und Landesgleichstellungsbeauftragteist, hat sie mehr Macht.

Es ist ja auch ein Stück Frauenpolitik zu sagen, wir wollen keine ungesicherten Arbeitsverhältnisse mehr. Doch viele Frauenprojekte klagen zur Zeit darüber, daß sie gar nicht wissen, wie es in den nächsten Monaten mit ihnen weitergeht.

Aber wenn ich das Geld nicht habe, kann ich einem Frauenprojekt nicht sagen, ich helfe dir. Da würde ich das Projekt belügen.

Gibt es denn manchmal Konflikte zwischen der Arbeitssenatorin und der Frauensenatorin?

Nein. Wir hatten mal in der Abteilungsleitersitzung eine Diskussion, wo es um Arbeitsschutzbestimmungen ging. Da haben wir gesagt, in so einem Fall sticht das frauenpolitische Arbeitsinteresse mehr. Aber richtige Konflikte, nein!

Sie haben, als Sie Frauensenatorin wurden, gesagt, Sie wollen die Einmischerin sein. Wo haben Sie sich eingemischt?

Fangen wir mal ganz oben an: Auf Bundesratsebene beim Arbeitsförderungsgesetz, zur Zeit beim Arbeitsschutzgesetz, bei der Pflegeversicherung. Das ist das Frauenthema. Natürlich bei der sozialen Grundsicherung und beim Gesundheitsstrukturgesetz.

Auf der Landesebene, bei den Beschäftigungs-Programmen, wo es gezielt um Frauen geht. Da sind nämlich auch ganz viele Frauen als Arbeitnehmerinnen berührt. Wo wir auf Landesebene gescheitert sind: Wir hätten gern die Paarformel in der Sprache gehabt. Oh, Mann! Aber da müssen wir eben noch ein bißchen Bewußtseinsbildung machen.

Wir Frauen machen ja seit 20 Jahren Bewußtseinsbildung. Ist das nicht manchmal frustrierend, immer noch mit solchen Sachen zu scheitern?

Nein, frustrierend würde ich nicht sagen. Natürlich fand ich das schade und ärgerlich. Ich finde, die Zeit ist reif dafür. Ärgerlich ist es, aber nicht frustrierend. Frustrierend, das klingt so nach frustrierte Frau, das bin ich nicht!

Fragen: Diemut Roether

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