Gaza: Israelische Armee setzt Raketen ein

■ Bei Militäraktion zur Verhaftung von Hamas-Leuten wurden 19 Häuser zerstört

Tel Aviv (taz) – Der rücksichtslose Einsatz militärischer Mittel gegen Bewohner des israelisch besetzten Gaza-Streifens hat eine neue Qualität erhalten. Zur „Liquidierung“ des bewaffneten Flügels der Hamas-Bewegung führten israelische Truppen am Donnerstag eine großangelegte Aktion in Khan Junis im südlichen Gaza- Streifen durch, bei der 19 Häuser unter Einsatz von Raketen zerstört wurden. Die Armee teilte mit, vier gesuchte Hamas-Guerilleros seien gefangengenommen worden. Außerdem sei eine größere Zahl von Einwohnern als „Helfershelfer“ verhaftet worden.

Von den 19 Häusern wurden acht dem Erdboden gleichgemacht, die übrigen Gebäude sind nach dem Angriff „nicht mehr als menschliche Behausungen verwendbar“, wie Militärkorrespondenten gestern berichteten. Die Wohnviertel in Khan Junis, in denen die Truppen mit Panzerabwehrraketen und Explosivstoffen Häuser zerstörten, wurden zur geschlossenen Militärzone mit Ausgehverbot erklärt, Journalisten haben keinen Zutritt. Die Militäraktion dauerte bis zum Abend. Die aus ihren Häusern evakuierten Familien wurden vorübergehend festgenommen. Erst nach Ende der Aktion durften sie zu ihren in Schutt und Asche liegenden Häusern zurückkehren. Bei den wiederholt als „Durchsuchungsaktion“ bezeichneten Maßnahmen wurde viel geschossen, während die Truppen mit Spürhunden die Ruinen der Häuser durchsuchten. Huschrauber kreisten im Tiefflug über dem Gebiet, um Palästinenser an der Flucht zu hindern. Am Abend verteilten UNWRA-Mitarbeiter Decken und Lebensmittel an die Obdachlosen.

Ein ehemaliger Truppenkommandant in Gaza erklärte in einem Radiointerview, daß sich die relativ neue Methode des Raketenfeuers auf Häuser, in denen sich mutmaßlich „gesuchte Terroristen“ verstecken, „gut bewährt“ habe, auch wenn bei solchen Operationen Häuser zerstört würden. Die Verwendung von Panzerabwehrraketen schütze die eigene Truppe und bewirke, daß die „Gesuchten“ entweder aus ihrem Versteck kämen oder in den Ruinen zugrunde gingen. Die Methode sei auch eine Strafe für Helfershelfer, die Hamas-Guerilleros Unterschlupf gewährten. Diese Art der Abschreckung allein werde aber nicht genügen, um die bewaffneten Banden zu liquidieren. Der Kampf erfordere eine Reihe weiterer systematischer Operationen.

Raketen als Waffe bei Angriffen auf Wohnhäuser in den besetzten Gebieten sind erst seit Mitte Juli 1992 in Verwendung. Im Dezember 92 und Januar 93 wurden bereits 29 Häuser in 9 Einsätzen beschossen. Dabei wurden 7 Wohnhäuser ganz zerstört, 13 Familien blieben obdachlos. Die israelische Rechtsanwältin Tamar Pelleg, die für den israelischen Bürgerrechtsverband vor allem im Gaza-Streifen tätig ist, berichtete, daß dort vor der gestrigen Aktion seit Juli 92 insgesamt 16 Militäroperationen mit Raketen durchgeführt wurden, bei denen sechs Palästinenser festgenommen und zwei getötet wurden. Eine so groß angelegte Such- und Zerstöraktion habe es in den besetzten Gebieten aber bisher nicht gegeben. Frau Peleg betonte, daß derlei Militäraktionen eindeutig gegen die von Israel offiziell anerkannten Haager Konventionen verstoßen. Amos Wollin