: Counter in Freiburg
Irgendwas stimmt nicht im Badischen: Erste Heimniederlage des SC mit 1:3 gegen Wolfsburg ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs
Über die tatsächliche Bedeutung des Begriffs „Counter Insurgency“ war im engsten Bekanntenkreis so schnell gar kein Konsens zu erzielen. Was vielleicht aber einfach an der Vernebelung der Gehirne durch die gerade bezogene Schlappe des Vereins, dem unsere Liebe gilt, des Zweitliga-Spitzenreiters SC Freiburg, gelegen haben mag. Nach mehreren telefonischen Rücksprachen einigten wir uns darauf, daß es sich um eine Form der Bekämpfung emanzipatorischer Bewegungen handelt, die nicht einfach draufhaut, sondern in sie einsickert, sie spaltet, kurz: sie von innen heraus schwächt, um sie so in die Niederlage zu treiben.
Schon beim Freundschafts- Spiel gegen Bayern München vor drei Wochen begann die Sache gewaltig zu stinken. Er wünsche dem Sport Club Freiburg den Aufstieg, sagte der Bayern-Coach Erich Ribbeck, „weil sich hier in Freiburg gezeigt hat, daß man auch, ohne mit viel Geld um sich zu werfen, guten Fußball spielen kann.“ Das war doch entweder ein Hieb gegen den eigenen Arbeitgeber, was man bei dem notorischen Vornehmtuer ja gleich vergessen kann, oder aber ein faules Ei. Hatte der Mann schon etwas gewußt?
Vielleicht, daß ein paar Tage später in einer Nacht-und-Nebel- Aktion Andreas Fincke nach Wolfsburg abgeschoben würde. Klar, der Junge saß nur noch auf der Bank, nachdem der Albaner Rraklli dem Sport Club, wie die Lokalpresse immer so schön kolportiert, „praktisch zugelaufen war“ und ein Tor nach dem anderen reinballerte. Aber was, wenn Uwe Spies (in dieser Saison schon mit zwei Gehirnerschütterungen vorbelastet) noch mal blöd einen gegen die Birne kriegt, oder Rraklli den Muskel zerrt, das Band dehnt, das Knie verzwirbelt?
Und sollte etwa niemand bedacht haben, daß der Mann mit den langen blonden Locken, der weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen ist, für die zahlreichen Fans aus den links-alternativen Zusammenhängen zu den Protagonisten des anderen Fußballs in Freiburg zählte, der sie erst ins Stadion und dort zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte?
Als die mit Verlautbarungs- Rhetorik glattgebügelte Pressemeldung – „bis zum Saisonende ausgeliehen“ – raus war, jedenfalls, war Fincke in Freiburg nicht mehr und in Wolfsburg noch nicht – „kein Telefon“ (!?) – zu erreichen. Schwieg die Lokalpresse den Wechsel deshalb (fast) tot? Oder was steckte da dahinter? Zum ersten Rückrunden-Heimspiel des Sport Club am Samstag kam er dann. Mit dem abstiegsgefährdeten VfL zum zu Hause noch ungeschlagenen Tabellenführer. Und was passierte? Der Hammer: Auf der Gegengeraden fiel der Strom aus. Mit der Konsequenz, daß der angebotene Glühwein seinem Namen nicht weniger spottete als die Brühwürstchen – die sowieso beliebteren Roten vom Grill hatte man angesichts des Strom-Notstands gleich ganz aus dem Angebot genommen.
Jetzt mag das ja nicht überall gleich sein, aber wer die Freiburger Fußball-Gepflogenheiten kennt, weiß, daß Fußball den meisten im Stadion natürlich nicht wurscht, aber doch fast nichts ohne sie ist. Andree Fincke im Trikot des Gegners und kalte Würstchen in kalten Händen – die doppelte Irritation auf den Rängen übertrug sich flugs auf die durch einen unter der Woche grassierenden Grippevirus schon geschwächte Heimmannschaft.
15. Minute: Würstchen hoch, ähem, doch nicht, nur Abseits. Andree Fincke hatte getroffen – ins Freiburger Tor. 87. Minute: da und dort klammheimliche Freude und viel warmer Beifall von glühweinlos-kalten Händen. Der VfL-Spieler mit der Nummer 11, Andree Fincke – „einer der besten heute“ (Aktuelles Sportstudio) –, geht vom Platz. Die Sache ist gelaufen, der Abstiegskandidat führt beim Aufstiegsfavoriten mit 3:1. Dreimal hat ein blendend aufgelegter Sigi Reich zugeschlagen, einmal hat ihn Andree Fincke bedient.
Auf der Pressekonferenz nach der Partie meint Freiburgs Trainer, daß erst „die nächsten Wochen“ zeigen werden, „welche Auswirkungen die Niederlage“ auf die Mannschaft hat. Nach dem Bayern-Spiel hatte er doch schon gemahnt, „die Drachen nicht zu hoch steigen zu lassen“. Man wird nachdenklich.
War nicht selbst in dieser Zeitung erst vergangenen Freitag eine zu jenem Zeitpunkt noch ganz und gar unverständliche Botschaft an „den Teil des Publikums, das sich sehnsüchtig die ,anderen Fußballer‘ wünscht und zur Zeit mit den kickenden Philosophiestudenten des SC Freiburg liebäugelt“. Dabei, so der Autor, „liegt die geistige Führung in Duisburg“.
Und ist der Verfasser dieses taz- Berichts nicht bestens bekannt mit dem Reporter eines Hamburger Hochglanzmagazins, der unlängst zu Recherchen über den Sport Club in Freiburg weilte? Was aus gut informierten Quellen auf die schnelle jedenfalls noch zu erfahren ist: seine Geschichte wird in der nächsten Ausgabe unter der Überschrift erscheinen: „Freiburg hat den Blues.“ Also jetzt mal im Ernst: das mit Counter Insurgency mag ja vielleicht übertrieben klingen – aber irgendwas stimmt doch da nicht.
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