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„Die Polizeireserve muß aufgelöst werden“

■ Interview mit Burkhard von Walsleben, dem Landesvorsitzenden der Gewerk- schaft der Polizei (GdP) in Berlin, über Reservisten und staatliches Gewaltmonopol

taz: Herr von Walsleben, Ihre Gewerkschaft hält die Berliner Freiwillige Polizeireserve (FPR) seit Jahren für überflüssig ...

Von Walsleben: Die FPR hatte in den Zeiten des Kalten Krieges und insbesondere nach dem Bau der Berliner Mauer seine Existenzberechtigung. Wir sind jedoch heute, nach dem Fall der Mauer, der Meinung, daß die Freiwillige Polizeireserve aufgelöst werden muß.

Haben Sie eigentlich selbst Erfahrungen mit der Anfälligkeit von Reservisten für Rechtsradikales Gedankengut?

Man kann nicht alle 2.500 Mitglieder der FPR über einen Kamm scheren. Dennoch muß man sich die Frage stellen, ob die Tatsache, daß Berliner bis vor wenigen Jahren nicht zur Bundeswehr gehen konnten, nicht bei manchen vielleicht die Sehnsucht nach der Uniform oder nach dem Dienst mit der Waffe hat entstehen lassen – ein Mangelgefühl, das sie dann in der FPR kompensieren konnten. Zumindest kann man das einigen unterstellen. Und wie sich jetzt in Hinblick auf Verbindungen zur rechtsradikalen Szene herausstellt, kann man da durchaus Anhaltspunkte finden. Und: Auch wenn es nur wenige sind, sind es zuviel.

Sehen Sie Versäumnisse bei der Einstellungspraxis der FPR? Waren das etwa nur die direkt befaßten Beamten, oder hat die Polizeiführung selbst das Thema verschlafen?

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind die Überprüfungen – und das wird auch vom Berliner Innensenat nicht bestritten – zumindest in einigen Fällen ausgesprochen lax gewesen. Und genau das ist ja auch ein generelles Problem, das die GdP immer im Zusammenhang mit der FPR oder auch den privaten Sicherheitsdiensten sieht. Für uns ist das eine prinzipielle Frage. Wir sagen als GdP immer: die Politik muß wissen, wem sie die Sicherheit der Bevölkerung anvertraut. Weiterhin sind wir der Meinung, daß das staatliche Gewaltmonopol nicht durchlöchert werden darf. Aus diesem Grunde haben wir etwas gegen private Sicherheitsdienste – wobei wir sicherlich keine Beamte zur Überwachung von Supermärkten abstellen wollen, das sollen die Betreiber ruhig selbst machen. Aber dort, wo der Bürger unmittelbar betroffen ist, haben weder die FPR noch irgendwelche dubiosen Sicherheitsdienste etwas zu suchen. Für uns ist das Anschauungssache. Sie brauchen sich nur mal zu überlegen, daß die Ausbildung bei der Polizei drei Jahre dauert, also ein Lehrberuf ist.

Die FPR-Ausbildung dagegen beginnt mit einem 14tägigen Lehrgang, und schon wird man auf die Menschheit losgelassen. Danach gibt's dann jeweils noch mal 14 Tage im Jahr „Weiterbildung“. Ich meine, der Bürger hat einen Rechtsanspruch darauf, daß diejenigen, die seine Grundrechte vor Angriffen schützen sollen, auch vernünftig ausgebildet werden.

Ende der siebziger Jahre war die FPR eigentlich schon in der Situation, wo sie langsam austrocknete. Neu belebt worden ist sie damals durch den CDU-Innensenator Lummer ...

Tatsächlich war die Auflösung schon beschlossene Sache, und zwar unter Innensenator Pätzold während der rot-grünen Koalition. Die Stellen für die Ausbilder der FPR waren im Polizeihaushalt schon so gut wie gestrichen. Seit Beginn der Großen Koalition mit der CDU hat die SPD offenbar einen Schwenk vollzogen. Heute wird die FPR als durchaus erhaltenswerte Einrichtung gepriesen – allerdings mit einer Begründung, die schlimm genug ist für uns. Sinngemäß heißt es da, in Berlin könnten ohne private Sicherheitsdienste und ohne die Freiwillige Polizeireserve einige Sicherheitsaufgaben nicht mehr wahrgenommen werden.

Sie sind also der Auffassung, man könne nicht mit Freizeitsheriffs das staatliche Gewaltmonopol aufrechterhalten?

Mit Sicherheit nicht. Weil nämlich die FPR auch weitaus größere Befugnisse hat als etwa die privaten Sicherheitsdienste. FPR-Angehörige dürfen nach dem neuen FPR-Gesetz auch Waffen tragen. Gerade wenn man sich mal vorstellt, wer sich, wie sich jetzt bestätigt, in deren Reihen alles tummelt. Den Bürgern Berlins dürfte ganz mulmig werden bei dem Gedanken, daß solche Leute nicht nur an der Waffe ausgebildet werden, sondern sie im Einsatz auch tragen.

Was muß Ihrer Meinung nach passieren?

Wir fordern prinzipiell und jetzt erst recht die Auflösung der FPR – unabhängig davon, daß sie sich so oder so überlebt hat. Man darf die Bürger nicht mit solch schlecht ausgebildeten Polizeikräften konfrontieren. Auch wenn jetzt alle überprüft werden, bleiben da vielleicht am Ende dennoch 2.000 übrig – und die sollen dann weitermachen können wie bisher? Nein, die Sache muß beendet werden.

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