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■ Schweden: Schüler futtern Dopingpillen„Russenfünfer“ auf dem Schulhof

Stockholm (taz) – „Wir haben kein Dopingproblem im Sport, sondern auf den Schulhöfen“, sagt Bengt Eriksson, Spezialchirurg für Herzkrankheiten bei Kindern und Jugendlichen am Krankenhaus Östra in Göteborg. Der Mediziner hat seit 20 Jahren mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Dopingmitteln zu tun und jetzt Alarm geschlagen: „Aus dem Osten kommen tonnenweise Dopingmittel, die nur zum geringsten Teil bei Sportlern landen, weil die mittlerweile vorsichtig geworden sind.“ Erikssons Beobachtungen werden von der Polizei, SozialarbeiterInnen und LehrerInnen bestätigt: Der Renner auf den Schulhöfen sei derzeit der „Russenfünfer“, eine Dopingpille mit 5 Milligramm anabolen Steroiden, die für fünf Kronen (etwas über eine Mark) an Schüler verkauft wird.

Das Zeug essen die Schüler nicht etwa, um ihre sportlichen Leistungen zu steigern, sondern um mit ihren stolzen Muskelpaketen bei den Mädchen Eindruck zu schinden. Eriksson: „Es ist ausschließlich ein Problem der Jungen, die glauben, man müsse Muskeln haben, um bei Mädchen landen zu können. So wie umgekehrt die Mädchen hungern, weil sie glauben, nur schlanke Mädchen hätten Chancen, einen Freund zu kriegen.“ Bei den Jugendämtern und Sozialberatungsstellen häufen sich die Anrufe unruhiger Eltern, die über plötzlich gesteigerte Aggressivität ihrer Kinder berichten, teilweise von recht auffälligen Wesensveränderungen bis hin zu Geistesstörungen begleitet. Letztere das Resultat der wirklich gefährlichen Mischung „Russenfünfer“ und Alkohol.

Eriksson vermutet eine regelrechte Mafia hinter dem Geschäft mit dem Wunsch nach breiten Schultern. 1991 beschlagnahmte der schwedische Zoll fast 4 Zentner Dopingtabletten aus Rußland und den baltischen Staaten. Nach eigener Einschätzung sind das allenfalls fünf Prozent der tatsächlich eingeschmuggelten Menge gewesen: Mindestens vier Tonnen, umgerechnet über 5 Millionen Pillen, wären damit auf dem Schwarzmarkt gelandet – mit vermutlich seitdem angestiegener Tendenz. Die Pillen werden zum Stückpreis von drei bis vier Pfennig produziert. Das Geschäft ist also einträglicher als der Schmuggel von Rauschgift. Vor allem aber ungefährlicher, da für den Fall des Erwischtwerdens nur Minimalstrafen drohen. Eriksson glaubt, da Doping mittlerweile ein Gesellschaftsproblem ist, daß die Regierung endlich aktiv werden müßte. Einen ersten Schritt hat der schwedische Reichstag vor kurzem getan: Nicht mehr nur der Handel, sondern der bloße Besitz von Dopingmitteln ist unter Strafe gestellt worden. Das heißt, daß die Polizei befugt ist, auch in Privatwohnungen und Schulen Hausdurchsuchungen vorzunehmen, falls es konkrete Verdachtsmomente gibt. Sie tut es nur nicht, weil, so Eriksson, „Polizei und Strafverfolgungsbehörden dem Problem noch viel zu geringe Priorität einräumen“. Reinhard Wolff

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