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"Der Ton wird schlimmer"

■ In Woltmershausen sollen keine Junkies schlafen

„Der Ton wird schlimmer“

In Woltmershausen sollen keine Junkies schlafen

„Sollen die arbeiten gehen“, „In die Kaserne mit denen!“ Volkes Zorn schwappte hoch am Montag abend in Woltmershausen: Der Stadtteilbeirat beriet über die Unterbringung von obdachlosen Drogenabhängigen in der Wartumer Heerstraße.

Ein großer Teil der Anwohner hat dem Plan der Sozialbehörde den Kampf angesagt. Was die Anwohner fürchten, sind steigende Beschaffungskriminalität, ein Drogenstrich, Gefährdung der Kinder und Ghettoisierung des Viertels. Angeführt von einer Anwohnerinitiative hatten sich rund zweihundert Woltmershausener zur Sitzung des Beirats im Martinshof eingefunden.

Die Befürworter des Wohnheimes sind an zwei Fingern abzuzählen. Ein umso leichteres Spiel für die erbosten Bürger: „Das Problem soll nicht auf dem Rücken der sauberen und anständigen Bevölkerung ausgetragen werden“, meint ein etwa 50jähriger Mann.

Starke Worte gegen Junkie- Wohnheim

Es wird bereits unruhig im Saal, als sich Dr. Jahn, Sprecher des Arbeitersamariterbundes und damit verantwortlich für das geplante Objekt, nur gerade vorgestellt hat. Jeden drängt es nach starken Worten und nicht nach irgendwelchen Belehrungen. Da kann Herr Jahn, der, bevor er nach Bremen kam, in der Drogenarbeit in Hamburg beschäftigt war, noch so sehr gegen die Ungeduld anreden: „Es ist ein Gebot der Humanität, diesen Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben“. Was er zu hören bekommt, sind Vorwürfe: Warum denn überhaupt der ASB den Junkies helfen wolle... und überhaupt... nicht bei uns... Trotzdem versucht Dr. Jahn zu informieren: Ziel der Einrichtung sei es, 40 obdachlosen Drogenab-hängigen einen Übernachtungsplatz anzubieten und ihnen auch tagsüber einen Aufenthalt in der Einrichtung anzubieten. Zwei Betreuer sollen rund um die Uhr anwesend sein, geplant ist eine Aufteilung in kleine Wohngruppen. „Wir wollen hier menschliche Grundbedürfnisse erfüllen, um auch die Möglichkeit zu bekommen, mit diesen Menchen ins Gespräch zu kommen“.

Das wollen die Anwohner auf keinen Fall. In einem Bürgerantrag an den Beirat berufen sie sich vor allem auf die sozialen Probleme in der Vergangenheit des Stadtteils: Zur Zeit der Nationalsozialisten war hier ein „Familienzwangslager“, in den 50'er Jahren ein „Zigeunerlager“ (wie es die Anwohner nennen), anschließend direkt nebenan eine Müllkippe untergebracht. Grund genug für die Anwohner, unter Hinweis auf die jahrelangen psychischen Belastungen sich „mit aller Entschlossenheit und allen Mitteln gegen eine Ansiedlung von Drogenabhängigen zu wehren“.

Da hat auch Guus van der Upwich, Drogenbeauftragter der Stadt Bremen keine Chance zur Überzeugungsarbeit, wenn er von der Erfahrung aus ähnlichen Projekten erzählt. In solchen Einrichtungen gäbe es sehr strenge Hausordnungen und es würden auch rigoros Leute herausgeschmissen, die sich nicht daran halten. „Der Ton ist schlimmer geworden“ kommentiert van der Upwich die Sprache vieler Anwohner. „Ich bitte Sie um ein Stück Toleranz“. Vergeblich. Einstimmig, von DVU bis Grün, lehnen die Beiratsmitglieder die Einrichtung eines Wohnheimes ab, „da ein solches Vorhaben die Integrationsfähigkeit dieses Wohngebietes überfordert“. Jetzt muß die Sozialdeputation entscheiden. flix

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