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"Verzaubert"

■ Ein Dokumentarfilm über lesbische und schwule Biographien

„Verzaubert“

Ein Dokumentarfilm über lesbische und schwule Biographien

Käthe

“Freundschaftsfrauen“, so nannten sich Lesben, die in den 30er und 40er Jahren jung waren. „Freundschaftsmänner“ die Schwulen. Ausschließlich freundschaftlich ging es während der NS-Zeit nicht zu. Wie auch: „Wir gingen viel alleine, hatten immer Angst, hochgenommen zu werden“, erinnert sich Arne, heute über 70.

Lebensläufe von Lesben und Schwulen bilden den roten Faden des dokumentarischen Films „Verzaubert“, der ab Donnerstag vier Tage lang im Cinema läuft. Lebensläufe, die die homosexuelle Defensive, wie es sie heute noch gibt, geschichtlich nachvollziehbar machen. Ein Hamburger Filmkollektiv ging 1989 auf die Suche: „Spurensicherung“ war eines ihrer Motive. 50 Gespräche führten die FilmemacherInnen; 13 Alte, zwischen 1910 und 1933 geboren, und im

hier die ältere

dame

Film diskret beim Vornamen genannt, kommen zu Wort und Bild. „Dialog mit Kamera“ ist dabei die häufigste Bild-Einstellung, und daß der Streifen nicht langweilig wird, das liegt nur an der Lebendigkeit seiner ErzählerInnen.

Rudolf zum Beispiel, der jüngste Befragte, hat einfach Ausstrahlung. Seine erste Liebe begann mit 12, der Nachbarsjunge hatte es ihm angetan. Mit 14 wurden die beiden verpfiffen — und getrennt. Sie sahen sich nie wieder: Den Freund zwangen die Eltern zur Waffen-SS, wo er starb. Über 60 wurde dagegen Rudolf, bis er im Bekanntenkreis sein Coming- Out hatte. Wunderbar, wie er zufrieden mit sich in die Welt blickt.

Die Lebensgeschichten, die im Film erzählt werden, sind nicht lustig. Aber die Menschen, die sie erzählen, haben Humor: man muß lachen, wenn Wally, das ehemals „schwer erziehbare Mädchen“ berichtet, wie die lesbischen Pärchen im Erziehungsheim in die Bügelkammer stürzten, um ein paar ungestörte Augenblicke zu genießen. Oder wie Käthe den Nervenarzt nervös machte, der sie per Hypnose „heilen“ wollte. „Warte, mein Kleiner, mich kriegst du nicht! „, dachte sich die eigenwillige Freundschaftsfrau und rieb ihr Knie an seinem Geschlechtsteil, bis er die Unternehmung abbrach. Gewonnen!

Es ist die Perspektive der Alten, Lebenserfahrenen, die den Film heute interessant macht: Das lesbisch-schwule Leben ist leichter geworden, vermitteln sie — bei allem persönlichen Kummer. Das war gleich nach dem Krieg noch nicht so.

So unterschiedlich die Stimmen sind, die im Film zu Wort

die männer

einer in uniform

anderer mit BH

kommen — es sind die Stimmen einfacher Leute. Menschen wie du und ich — für die ist der Film auch gemacht. Aber auch für Leute, die erfahren wollen, was eine Klappe oder ein Kesser Vater ist. Leider sind Jahreszahlen aus dem Film schwer zu erschließen. Vor allem für die, die nicht nur einen allgemeinen Eindruck gewinnen möchten, sondern an Facts interessiert sind, ist das bedauerlich. ede

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