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Sammler ohne Leidenschaft

■ Befremdlich teilnahmslos: Atom Egoyans „Calendar“ im Forum

Der Fotograf soll frühchristliche Kirchen in Armenien ablichten. Eine Auftragsarbeit für einen Wandkalender. Der Mann stammt aus Kanada, ist armenischer Abstammung: Atom Egoyan spielt sich selbst. Zum erstenmal bereist er das Land seiner Herkunft. „Die Energie des Orts konzentriert sich dort, wo die Kirche steht“, erklärt der Führer, ein Armenier. Die Freundin des Photographen, aufgewachsen im Exil, übersetzt. Egoyan fragt nicht weiter, betrachtet durch seine Kamera, wie die beiden in der Landschaft verschwinden und verliert die Freundin schließlich an den Einheimischen. Der Fotograf schaut tatenlos zu, hält auf Video fest, sammelt Kirchen. Später, wieder zu Hause, beim Betrachten der Filme, sammelt er Frauen. Regelmäßig lädt er eine zum Essen ein, speist schweigend, bis die Frauen sein Telefon benutzen wollen und in den verschiedensten Sprachen mit ihren Liebhabern telefonieren. Egoyan lächelt in sich hinein, scheu, aber wissend. Und schreibt Briefe an seine Ex-Freundin.

Ein befremdlicher, teilnahmsloser Film. Wie immer bei Egoyan geht es um Voyeurismus, um die Beziehung zwischen dem, was vor und was hinter der Kamera spielt, um das Begreifen mithilfe von Bildern, um die Konstruktion von Identität. Diesmal steht die Frage der nationalen Zugehörigkeit im Mittelpunkt, die in seinem letzten Film, „Der Schätzer“ bloß angedeutet blieb. Die drei Protagonisten, sagt Egoyan, verkörpern „drei Ebenen des armenischen Bewußtseins: Staatsangehöriger, in der Diaspora Lebender, Assimilierter“. Seltsamerweise entwickelt der Fotograf aber keinerlei Neugier, weder an seinen weiblichen Gästen, noch an Armenien, das er als Gast besucht. Seine Leidenschaft entspricht der eines Briefmarkensammlers.

Nur einmal streift er mit der Videokamera den Körper seiner Freundin entlang — ein visueller Flirt. „Calendar“ bleibt ein Konstrukt, weniger Film, als Essay: reines Kopfkino. Die Sprachen der telefonierenden Frauen sind Sprachen aus Ländern, die Armeniern Exil gewährten. Zu hören ist das nicht. Man kann es nur in der Pressemitteilung nachlesen. Christiane Peitz

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