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Kein Film von Frears

■ Das Medium ist das Problem: „Accidental Hero“ (Ein ganz normaler Held) von Stephen Frears im Panorama

Dustin Hoffman ist wieder mal fehl am Platz. Trippelt von einem Fuß auf den andern, fingert verlegen, preßt trotzig die Lippen zusammen und spuckt große Töne. Aber er glaubt selbst nicht dran. Als Gelegenheitsdieb hat er sich auf Scheckkartenklau spezialisiert, schläft unrasiert in den immergleichen Klamotten in einer elenden Absteige, ständig mit einem Fuß im Knast. Seine Frau hat ihn längst verlassen, und der Wagen fährt auch nicht, wie er soll. Dustin Hoffman alias Bernie LaPlante ist der geborene Verlierer. Ein Nichts. Bloß seinem Sohn kann er noch imponieren.

Bernie lebt in den USA, dem Land der Erfolgsmenschen. Einer wie Bernie gehört da nicht hin. Aber eines Tages geschieht es doch: Bernie begeht eine Heldentat. Er rettet, mehr aus Versehen, die Insassen eines abgestürzten Flugzeugs aus brennenden Trümmern. Es ist genau die Art von Heldentat, die die amerikanischen Medien so gerne feiern, die die Fernsehnation zu Tränen rührt und aus denen die Gazetten ihre Titelstories basteln. Das Land braucht Idole, Thrill, Wagemut — Bernie kann's bieten. Bloß, er paßt nicht ins Bild. Jedenfalls nicht auf den Bildschirm. Also verschwindet er in der Nacht — und endet hinter Gittern. Die Rolle des Helden übernimmt ein anderer: Bubbles (Andy Garcia) hat das passende Outfit.

„Accidental Hero“ hätte eine bitterböse Satire auf die US-Gesellschaft werden können, eine Reflektion über die Erfindung der Wirklichkeit in den Massenmedien, über den Personality-Kult und die Mythen einer modernen Welt, die nur auf Erfolg setzt und ausgrenzt, was schwach ist oder in der Minderheit. Eine Komödie über den Mainstream, eine Farce über Sein und Schein, Identität und Image und die Perversion einer Öffentlichkeit, die blindlings glaubt, was die Nachrichten melden. „Accidental Hero“ ist von allem ein bißchen und eben deshalb bloß harmlos. Trotz Dustin Hoffman und trotz Stephen Frears.

Zwar gibt es die Fernsehleute, skrupellose Macher, die ihren eigenen Fakes auf den Leim gehen. Zwar gibt es die sensationsgeile Masse, die sich nur zu gern hinters Licht führen läßt. Zwar gibt es den Sohn, Prototyp eines TV-Kids, der seinen Traum vom Heldentum mit der leiblichen Vaterfigur in Übereinstimmung bringen will. Aber allein die Sensationsreporterin, gespielt von Geena Davis, bleibt mit ihrer Vergötterung des unbekannten Retters eine oberflächliche Karikatur. Ein Workaholic, aber, typisch weiblich, immer ein bißchen naiv, den Chefs hörig und im Zweifelsfall hysterisch. Die dreckigen Füße aus „Thelma und Louise“, die Souveränität der Schauspielerin — vergessen. Geena Davis fungiert als bloßer Katalysator für eine Männergeschichte; ihr Gesicht bleibt auf den vielgerühmten sinnlichen Mund reduziert.

The medium is the message. In diesem Fall ist das Medium das Problem. Kino ist selbst Simulation, raffinierte Lüge, der Ort, an dem die Mythen geschaffen werden und die Helden das Licht der Welt erblicken. Ein Film über das Heldentum müßte die eigene Machart miteinbeziehen; das bißchen Happy-End-Parodie zum guten Schluß genügt da nicht. „Accidental Hero“ ist selbst ein Mainstream-Film, ganz normales US- Kino. Kein Film von Stephen Frears.

Pünktlich zum Showdown trifft Bernie schließlich auf Bubbles. Im Blitzlichtgewitter der Sensationsreporter, fixiert von den surrenden Kameras der Reality-TV-Teams nähern sich Originalheld und Fälschung in schwindelnder Höhe an der Außenwand eines Selbstmörder-Hotels. Den Schlagabtausch der beiden kann nur der Kinozuschauer verfolgen. Nur wir sitzen in der ersten Reihe und erfahren die ganze Wahrheit. Bernie, wieder einmal ohne festen Boden unter den Füßen, arrangiert sich. So bleibt er sich treu: ein Schmarotzer, der nach seiner Fasson selig zu werden versucht und den andern nicht die Show verdirbt.

Anders Stephen Frears. Der britische Regisseur von „Mein wunderbarer Waschsalon“, der mit „Gefährliche Liebschaften“ seine Handschrift ins Starkino hinüberrettete und mit „Grifters“ immerhin noch eine Genrestudie versuchte, hat sich arrangiert. Stephen Frears' Karriere in den USA ist eine Erfolgsstory. Für das Autorenkino ist sie ein Verlust. Christiane Peitz

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