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■ QuerspalteDichtung und Wahrheit

Schlimm, schlimm! Tatort U-Bahn: Von Kopfhörern gerahmte Mondgesichter terrorisieren mit Heavy-Metal-Bässen ganze Waggons. Tatort Kinderzimmer: Nicht das pädagogisch wertvolle Holzspielzeug und elterliche Zuwendung machen Kinderaugen glänzen, sondern Lichtreflexe von Gameboys, Computerspielen und Musikvideos. Tatort Wohnzimmer: Statt Aufzeichnungen von Botho-Strauß-Inszenierungen zu begutachten, suckeln Erwachsene Brutalostreifen und Horrorserien. Kurz gefragt: Sind wir alle verloren, amüsieren wir uns zu Tode, wie Neil Postman nimmermüde auf Buchmessen und Akademietagungen verkündet? Müssen wir kichernd zusehen, wie unser kulturelles Gedächtnis und jegliche kritische Urteilskraft im Rausch der zappelnden Bilder absaufen?

Doch Rettung naht. Wie Löwenzahn durch die Straßendecke (man beachte das Bild aus der lebendigen Natur!) brechen totgeglaubte Kulturtechniken sich Bahn durch den dickgeknüpften Teppich der elektronischen Vollversorgung. Dichten etwa. Die Kraft des Reimes ist lebendiger, als sie es zu Zeiten Walters von der Vogelweide jemals war. Mit einem Haiku oder einem Sonett läßt sich auch die medial verhärtetste Seele anrühren. Glauben zumindest die Werbestrategen einer großen Ladenkette. Sie setzen bei der Anwerbung von Nachwuchs nicht auf die Kraft von Fakten, sondern auf die Poesie einer erfüllten Berufslaufbahn: „Hast Du mit Fleiß und Weiterbildung die erste Sprosse dann erklommen/ Ist erste Verantwortung schon übernommen.“ Wunderbar, aber auch recht drückend, die Verantwortung. Aber da winkt die Belohnung: „Wer erst die ersten Hürden packt/ und sich an größere Dinge wagt,/ der hat im Ganzen bald das Sagen/ mit gutem Geld und Firmenwagen.“ Zwar gelang Günther Krauses Kreativen der Merseburger Zauberspruch der Verkehrssicherheit („Auf Ihr Wohl/ kein Alkohol“), und auch Innensenator Heckelmann bewarb sich mit einer Warnung vor illegalen Zigarettenhändlern jüngst um einen Eintrag in den Großen Hausschatz bundesdeutscher Politikerpoesie („Ohne Steuer/ wird es teuer“). Aber die finale Weisheit zweizeilig auszusprechen, knapp und unausweichlich in ihrer bedrückenden Einsicht, blieb einem Polstermöbelhändler vorbehalten: „Wo kein Hundesofa ist im Haus, da sehen die Hunde traurig aus.“ (Für 198 Mark in Graubeige gleich zum Mitnehmen.) Wer jetzt kein Sofa hat, kaut auf keinem mehr. Tragisch, daß Hunde nicht lesen können. Hunde würden Kafka kaufen. Nicht nur deshalb: Wir verlangen,/ ohne bangen: Widerrufen Sie, Mr. Postman! Hans Monath

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